Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
sagte ich sofort, als wir in der Mitte des Platzes aufeinander trafen. „Er ist wach und hat gegessen.“
Louis' Gesicht hellte sich auf. Er trat einen weiteren Schritt auf mich zu und einen Sekundenbruchteil lang glaubte ich, er wolle mich umarmen, und spürte, dass die Salsaschmetterlinge in meinem Bauch die Musik aufdrehten. Ohne nachzudenken ließ ich meine Augen über die Hütten hinter ihm wandern, aber es war niemand zu sehen. Louis hatte meinen Blick bemerkt. Er verharrte in der Bewegung und sackte leicht in sich zusammen. Ich verfluchte mich innerlich, während mein Verstand mich über den grünen Klee lobte.
Nach einer kurzen, stummen Pause, in der wir verlegen aneinander vorbeisahen, meinte er: „Ich muss jetzt zu Dante.“ Er zögerte. „Kommst du mit oder musst du nach Hause?“
„Ich habe noch meine Tasche drin.“
Das war zwar die Wahrheit, aber es ging mir nicht um die Tasche – ich wollte nicht weg. Alles war so zermürbend traurig in den vergangenen Tagen gewesen, ich wollte endlich wieder an ein bisschen Freude teilhaben.
Wieder in der Hütte angekommen, hielt ich mich etwas abseits. Ich beobachtete nur Louis und blendete alles andere aus. Ich versuchte, mir sein Gesicht genau einzuprägen: seine Augen, in die die Hoffnung zurückgekehrt war, sein stoppeliges Kinn, das in naher Zukunft nun vielleicht doch die Chance auf eine Rasur bekam und sein Strahlen, das doch nie für mich bestimmt war.
Hast du nichts besseres zu tun? stichelte mein Verstand.
Ruhe! gab ich zurück. Das war mein Moment. Den konnte mir niemand nehmen. Ich würde mich sicherlich in den nächsten Wochen noch um Dante kümmern, aber die Zeiten, in denen ich hier mehrmals täglich ein- und ausging, waren gezählt. Danach würden die beiden Welten, in denen Louis und ich gefangen waren, wieder auseinander driften. Das war natürlich gut so – ich war unendlich dankbar, dass Dante sich erholt hatte. Aber ich wusste, dass danach alles wieder so werden würde wie nach der Ernte oder nach der Stiefelparty. Wenn uns die gemeinsame Sorge nicht mehr verband und der normale Alltag wieder einsetzte, würden wir uns kaum noch sehen und abgesehen von einem höflichen Nicken ignorieren, mehr war nicht drin, mehr stand nicht zu. So ist's richtig. Aber für diese Zeit würde ich dann das Louis-Lächeln eingespeichert haben.
Für die ganze restliche Zeit.
Für immer.
Entsetzt stellte ich fest, dass meine Sicht erneut verschwamm. Schlafmangel. Rührende Szenen. Überreizte Nerven. Mit Mühe gelang es mir die Tränen zurückzudrängen und ich fingierte ein Niesen, um mich danach ausgiebig schnäuzen zu können.
Louis, der sich an Dantes Bett gesetzt hatte, sah besorgt auf. „Geht's dir gut?“
„Nur eine Allergie.“
Das war Unsinn. Amazonen bekom men keine Allergien. Ich riss mich zusammen und hörte endlich auf meinen Verstand.
„Ich geh jetzt mal lieber. Weiterhin gute Besserung, Dante.“
Rasch ergriff ich meine Tasche und flüchtete aus der Hütte, bevor ein neuer Emotionsschub meine mühsam aufrechterhaltene Beherrschung davonspülen konnte. Ich befand mich gerade auf der Verandatreppe, als ich Louis' Stimme hinter mir hörte.
„Ell? Warte!“
Ich blieb auf der Stufe stehen, traute mich aber nicht, mich umzudrehen. Mit Sicherheit hatte ich wieder hektische Flecken im Gesicht, die man im Lichtschein des Hauses bestimmt gesehen hätte.
Er lief die Treppe herunter und stellte sich vor mich, was fleckentechnisch okay war, denn so hatte ich das Licht im Rücken. „Ich bin dir wirklich dankbar, für all das, was du für Dante getan hast. Ich weiß nicht, ob er es ohne deine Hilfe geschafft hätte.“
Ich wollte seinen Dank eigentlich mit einer Geste abtun, aber dann tauchte in meinem Kopf ein neuer Gedanke auf und ehe ich ihn reflektieren, zensieren oder negieren konnte, kam er mir schon über die Lippen.
„Vielleicht habe ich das gar nicht für Dante getan“, hörte ich mich wie von weit weg sagen.
So ein Schwachsinn. Du hast den alten Mann unglaublich gerne und ihm zu helfen war dir ein Bedürfnis.
„Vielleicht habe ich es nur für mich getan.“
Im warmen Kerzenschein, der aus den Fenstern des Hauses drang, sah ich Louis' perplexe Miene. „Wie meinst du das?“
Ich schluckte und brachte hervor: „Wenn Dante … gestorben wäre, wärst du weggegangen. Ich weiß nicht, ob ich … wie ich das …“ Ich kämpfte mit den Worten. Alles klang so melodramatisch. Überlebt? Verkraftet? Gefunden hätte? Scheiß
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