Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
ersten Anzeichen sofort in die Wüste geschickt hätte …
Mir wurde flau im Magen.
„Ach verdammt!“, rief ich laut in die Stille der Nacht hinein und hörte in der Nähe einen erschreckten Vogel aufflattern. Warum machte ich mir etwas vor? Warum personifizierte ich Abstraktes, um die Schuld von mir zu weisen?
Sieh den Tatsachen ins Auge: Du bist verliebt.
Ich bin verliebt. Definitiv. Mit Haut und Haaren.
Kurz nahm ich staunend und das erste Mal ungefiltert wahr, was mich so herrlich und kraftvoll durchströmte. Doch der Strom blieb an den Splittern meines angeknacksten Herzens hängen, bildete schmerzhafte Verwirbelungen und ich relativierte:
Unglücklich verliebt.
Ich ließ mich wieder auf den Rücken zurückfallen und starrte zwischen den Baumkronen hindurch in den sternenreichen Himmel. Louis wollte mich nicht. Das war wohl bei unserem letzten Gespräch überdeutlich geworden , oder wie man das nennen sollte. Bei dem ich mich so zum Narren gemacht hatte, dass ich selbst jetzt im Dunkeln rot anlief, weil ich mich dafür so schämte. Ich stöhnte gequält auf. Wahrscheinlich würde morgen die gesamte Arbeiterschaft über mich lachen. Die kleine Amazone, die einem Obstpflücker hinterherlief. Erfolglos, wohlgemerkt. Wie grauenhaft peinlich. Und wenn meine Mutter davon erfuhr – darüber konnte ich jetzt nicht nachdenken.
Doch all das spielte eigentlich keine Rolle, weil nichts mehr eine Rolle spielte, wenn mein Herz weiterhin so wehtat …
Stimmen rissen mich aus den selbstmitleidigen Gedanken. Männerstimmen. Gedämpft, kaum durch das ruhige Wasserrauschen zu filtern, fehl am Platz. Alarmiert setzte ich mich auf und lauschte. Ein leises Lachen drang durch die Dunkelheit, aber keins von der angenehmen Sorte.
Woher kam das? Es war zu kurz gewesen, als dass ich es hätte orten können. Vom anderen Flussufer?
Vielleicht. Vielleicht wirst du aber auch langsam echt verrückt und hast es dir nur eingebildet?
Das konnte ich beim besten Willen nicht ausschließen. Etwa eine Minute lang herrschte Stille. Dann hörte ich ein Rascheln im Gebüsch, das ich mir definitiv nicht eingebildet hatte. Zu leise für einen Wolf oder ein Wildschwein, zu laut für eine Amazone, zu real für ein Hirngespinst.
Schnell stand ich auf und huschte zu den nahestehenden Bäumen. Ich verbarg mich hinter einem der dicken Stämme und lauschte angestrengt. Da war tatsächlich etwas. Es näherte sich. Mein Puls beschleunigte sich, vertrieb die liebeskummerbedingte Lethargie.
Ein gutes Zeichen, dachte ich und fühlte mich elend dabei.
Die Geräusche wurden deutlicher. Etwas oder jemand raschelte durchs Unterholz.
Flieh! sagte das Höhlenweibchen.
Kämpf! sagte meine innere Amazone.
Er liebt mich nicht, dachte ich. Damit hat er mir die Entscheidung schon abgenommen. Habe ich erst seine Ablehnung erfahren müssen, um endlich zu begreifen, dass Amazonenblut in mir fließt? So weh er tat – der Gedanke gab mir Kraft. Entschlossen sperrte ich das Höhlenweibchen weg und wappnete mich für den Angriff. Ich presste mich an die raue Baumrinde und atmete flach. Adrenalin pulsierte durch meine Adern.
Plötzlich tauchte eine Gestalt neben mir auf, in der Finsternis kaum von der dunklen Umgebung zu unterscheiden. Ich reagierte blitzschnell und instinktiv. Das Training war nicht umsonst gewesen.
Ich wartete, bis der Schemen an mir vorbei war, dann schnappte ich mir seine Arme, zog sie hinter seinen Rücken und stellte ihm meinen Fuß in den Weg. Mit vollem Körpereinsatz drückte ich seine Arme gegen den Rücken nach vorne und zog gleichzeitig seine Beine mit meinem Fuß nach hinten, um ihn in Richtung Waldboden zu befördern. In der Theorie hätte ich meinem Gegner dann den Stiefel zwischen die Schulterblätter und mein Schwert – im Moment nicht vorhanden – an den Hals gesetzt und eine Erklärung für sein nächtliches Umherschleichen in Themiskyras Wäldern verlangt.
Leider stellte sich der Schatten jedoch als größer und wehrhafter heraus, als es mein Plan vorgesehen hatte. Er entwand mir einen Arm und versetzte mir, während er herumfuhr, einen heftigen Schlag in die Seite. Dabei stolperte er allerdings über meinen Fuß und riss mich im Fall mit zu Boden.
Verdammt! Im Geiste sah ich Tianyu die Augen über meinem misslungenen Angriff rollen. Mein Knie schlug hart auf einer hervorstehenden Baumwurzel auf und ich landete halb auf dem Boden und halb auf der Gestalt, die, wie ich mit einiger Befriedigung feststellte, nach Luft rang,
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