Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
die ihr beim Aufprall auf den Boden aus den Lungen gedrückt worden war.
Ich ignorierte die Schmerzen in meinem Knie und meinen Rippen und versuchte, den Augenblick der Schwäche meines Kontrahenten auszunutzen, indem ich mich rittlings auf ihn setzte und mit meinem Körpergewicht fixierte.
Körpergewicht? Von wegen, ließ sich mein Verstand während des kurzen Gerangels dabei vernehmen. Fliegengewicht. Zumindest im Vergleich. Er ist viel zu stark.
Und jetzt?
An die Waffen!
Meine Hand fuhr zu dem kleinen Dolch, den mir meine Mutter zurückgelassen hatte und den ich seither immer hinten am Gürtel trug.
In diesem Moment kam Wind auf. Eine heftige Bö bewegte Zweige und Laub – und eine Zehntelsekunde lang konnte ich meinen Gegner im Mondlicht erkennen. Ich erstarrte. Meine Hand verharrte schwebend über dem Dolchgriff. Und auch mein Opponent hörte auf, sich zu wehren und ließ seinen Arm sinken.
„Ell“, sagte er.
„Louis“, sagte ich.
Erneut fuhr der Wind durch die Bäume und wieder konnte ich kurz sein Gesicht sehen. Überraschenderweise wirkte er nicht wütend – und, hey, ich wäre verdammt sauer gewesen, wenn mich jemand so unvermittelt und ohne erkennbaren Grund von den Füßen geholt hätte! Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich gesagt, dass seine Augen lächelten. Einen kurzen, schwachen Moment lang versank ich wie paralysiert in ihrer Schwärze und mein Herz vergaß für ein paar Schläge seinen Schmerz.
Bis mir plötzlich ein möglicher Grund für seine Belustigung einfiel. Gleichzeitig wurde mir bewusst, wie nah wir uns waren und dass ich mehr oder weniger auf ihm lag. Ich spürte Hitze in mir aufsteigen, krabbelte eilig von ihm herunter und stolperte ein paar Schritte zurück.
Meine Gedanken wirbelten durcheinander. Was macht er hier? Einen Abendspaziergang? Schnitzeljagd? Trainingslauf? Waldlehrpfad bei Mondschein? Genau hier? Der Wald ist doch riesig! Und ich, kein Missgeschick und keinen Fettnapf verschmähend, hatte ihn angegriffen. Großartig, Ell. So macht man sich Freunde.
Louis war inzwischen aufgestanden und massierte seinen Oberarm.
„Du hast ganz schön Kraft“, stellte er halb vorwurfsvoll, halb anerkennend fest.
„Entschuldigung“, brachte ich hervor. „Aber warum rennst du auch mitten in der Nacht im Wald herum!?“
Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und legte den Kopf schief. „Dasselbe könnte ich dich fragen!“
Muss ich das jetzt wirklich erklären? schrie ich ihn in Gedanken an, blieb aber stumm. Weil ich die Nerven verloren habe! Weil ich dir meine Gefühle offenbart habe und du …
Plötzlich fielen mir die Männerstimmen wieder ein. „Bist du allein hier?“ Oder hast du Juri und deine anderen Kumpels mitgebracht, damit ihr mich alle zusammen auslachen könnt?
Er tat so, als müsse er einen Augenblick nachdenken – vielleicht nur über meinen geistigen Gesundheitszustand. „Äh, ja?“
Dann war es offenbar tatsächlich so weit mit mir gekommen, dass ich Stimmen hörte. Beunruhigend. Aber im Grunde auch völlig egal, weil nichts mehr eine Rolle spielte, wenn …
„Ich habe dich gesucht“, riss er mich aus meinen fatalistischen Betrachtungen.
Was?
„Was?“ Ich war verwirrt. „Du bist doch in die Hütte zurückgegangen.“ Mist. Damit hatte ich zugegeben, dass ich mich noch einmal nach ihm umgedreht hatte. Ich biss mir auf die Lippe.
„Nur, um Dante kurz Bescheid geben, dass ich nochmal los muss. Danach bin ich dir sofort hinterher gelaufen. Aber du warst zu schnell, ich konnte dich nicht einholen. Ich habe dich noch im Wald verschwinden sehen und dann deine Spur verloren.“
Er kam einen Schritt auf mich zu und ich wich zurück, obwohl es mich eigentlich mit jeder Faser meines Körpers zu ihm hinzog. Aber ich hatte keine Lust auf weitere Herzabsplitterungen, daher schien es mir sicherer, auf Abstand zu bleiben.
„Doch dann bin ich einfach dem herzhaften Fluchen gefolgt und … naja, habe dich wohl gefunden.“ Er zuckte mit den Schultern.
Oh Göttin, habe ich wirklich laut geflucht? Was habe ich noch alles laut gesagt, anstatt es nur zu denken? Hastig durchforschte ich mein Gehirn, aber ich konnte mich nicht erinnern. Zur Sicherheit entfernte ich mich noch etwas weiter von ihm, als könnte ich damit die potentielle Peinlichkeit schmälern.
Noch ein Stück weiter und du landest im Fluss, warnte mein Verstand.
„Warum?“, fragte ich. „Ich meine, warum hast du mich überhaupt gesucht?“
„Du bist so
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