Themiskyra – Die Suche (Band 3) (German Edition)
hätte ich dir empfohlen, eine Reise zu unternehmen, für eine Weile eine der Gemeinschaften in Afrika oder Asien zu besuchen, aber derzeit ist das Reisen zu gefährlich und ich möchte mir keine Sorgen um dich machen müssen. Deshalb habe ich daran gedacht, ob du dich vielleicht in diesem Sommer als Yashta melden möchtest.“
Ich erstarrte. Nein! wollte ich schreien, niemals! Aber meine Kehle war wie zugeschnürt und die Frau im Fensterspiegel sah mich nur mit großen Augen an.
Atalantes kühle Hand auf meinem Arm, ihre Stimme verzerrt in meinen Ohren. „Es ist deine Entscheidung, ich werde dich zu nichts zwingen. Lass dir Zeit und überleg es dir. Du bist offiziell zwanzig, für viele das übliche Alter, ihren Leib der Göttin das erste Mal zur Verfügung zu stellen.“
Doch nicht der Göttin, dachte ich und fühlte, wie Übelkeit meinen Magen zusammendrückte, sondern irgendeinem fremden 'Shim.
„Und früher oder später musst du dich ohnehin melden, du brauchst immerhin eine Diadoka. Warum also nicht früher? Vielleicht gibt das deinem Leben wieder einen Sinn – und dir die Lebensfreude zurück. Ich würde es mir wünschen, Aella. Überleg es dir.“
Schnell entzog ich Atalante meinen Arm und machte ein paar Schritte rückwärts, dann wirbelte ich herum und stürzte hinaus. Ich merkte, dass ich lange nicht gerannt war, es sei denn, mein Training hatte es verlangt. Aber es tat mir gut, vielleicht, weil ich mein Herz wenigstens dann schlagen spürte. Deswegen behielt ich den Laufschritt bei, joggte die Treppen hinunter, die langen Flure entlang und durch die Verbindungsgänge ins Nachbargebäude, bis ich mich schwer atmend in Tetras Krankenzimmer wiederfand.
Das Licht aus dem Gang strömte durch die Tür, die ich hatte offen stehen lassen. Tetra lag entspannt da und atmete ruhig. Wären die Kabel und Schläuche nicht gewesen, die ihren Körper mit verschiedenen Apparaturen verbanden, hätte es so ausgesehen, als würde sie einfach schlafen. Aber sie schlief schon viel zu lange.
Eine der Ärztinnen hatte ihre rotblonden Haare zu einem dicken Zopf geflochten, der sich neben ihrem Kopf über das Kissen schlängelte, und die Art, wie die kleinen Löckchen an ihrer Stirn das Licht einfingen, erinnerte mich an unsere erste Begegnung. Sie hatte mich gerettet und nach Themiskyra gebracht; sie war immer meine Vertraute geblieben, wenn ich ihr auch vieles nicht hatte erzählen können. Und auch, wenn ich gar nicht wusste, ob sie etwas von dem mitbekam, was ich ihr bei meinen häufigen Besuchen erzählte.
Wie immer zog ich mir einen der hölzernen Stühle ans Bett, ließ mich darauf fallen und nahm Tetras Hand in die meine. Dann legte ich meinen schweren Kopf auf die Arme, die ich auf der Matratze verschränkt hatte.
Ich hätte weiterlaufen sollen, dachte ich, als Gedanken ungebremst auf mich einstürzten, zusammen mit Erinnerungen und Vorstellungen, alle unerwünscht und sinnlos.
„Ich war bei Atalante“, erzählte ich. Meine Stimme klang gedämpft, da ich quasi in die Matratze sprach, aber womöglich lag das auch nur an meinen überforderten Ohren.
Und, wie geht es ihr? hätte Tetra gefragt. Meine Berichte wurden in meinem Kopf immer zu Dialogen, weil ich mir vorstellte, was Tetra sagen und wie sie reagieren würde, wenn sie wach gewesen wäre. Sie war mein Anker, wenn die Orientierungslosigkeit mich taumeln ließ.
„Es geht ihr gut, denke ich. Doch, sie war ziemlich gut drauf. Hat sehr die Mutter raushängen lassen.“
Sprich nicht so von ihr. Sie ist deine Mutter, das kannst du ihr wohl kaum vorwerfen.
„Sie wollte den Mann töten lassen, den ich liebe, und hat mich mondelang weggesperrt. So grausam darf eine Mutter nicht sein. Ich akzeptiere sie als Paiti, aber mehr nicht.“ Ich wollte nicht, dass Tetra sich aufregen musste, deswegen erzählte ich rasch weiter. „Sie macht sich Sorgen um mich.“
Kein Wunder. Hast du mal in den Spiegel gesehen?
„Ja, gerade eben. Aber was sie mir als Lösung vorgeschlagen hat, wird mein Spiegelbild kaum verändern. Ich soll mich als Yashta melden.“
Ich dachte, du hättest keine Lust auf das Zuchtprogramm? spielte sie spöttisch auf ein Gespräch an, das wir mal in der Bibliothek geführt hatten. Damals hatte sie mir erklärt, wie das Zusammenspiel zwischen Themiskyra und den Clans funktionierte, das den Fortbestand der Amazonen sicherte. Um die ganze Angelegenheit wurde ein großes Geheimnis gemacht, damit Amazonenmütter nicht doch versucht waren, Kontakt
Weitere Kostenlose Bücher