Theo
man ihm den Papp ja einmal, dann würde man schon sehen: Will er oder will er nicht, schluckt er oder spuckt er? Was war er doch für ein armes Versuchskaninchen.
Dann kam die Phase, da er Bananenbrei wollte, allein es fehlten Mittel und Wege, die Umgebung darüber zu informieren. Mit etwas Glück gelang es Theo, die für die Lebensmittelzufuhr Zuständigen hellhörig zu machen, dass da etwas sei, wonach ihm gerade war. Aber bis die dahinterkamen, was es war, war ihm die Lust auf Bananenbrei meist schon wieder vergangen.
Die Lage verbesserte sich, als Theo koordinierte Mampfgeräusche der Wollust von sich geben konnte. Da wussten alle sofort: Er will etwas Essbares. Dann ging man die Dinge durch, und stieß irgendwann einmal auf Bananenbrei. Es war so eine Art Ratespiel.Wenn es kurz war, machte es sogar Spaß. Aber manchmal standen sie schon ziemlich hartnäckig auf der Leitung.
In einer schon höher entwickelten letzten Phase der Unvollkommenheit, Wünsche zu äußern, war Theo auf Blickkontakte zu Bananen angewiesen. Wollte er ihren Brei, musste er »Da!« rufen, hinzeigen, noch einmal »Da!« rufen, noch einmal hinzeigen, immer wieder »Da!« rufen und hinzeigen, bis sich einer der Herrschaften vielleicht einmal bequemte, der Sache auf den Grund zu gehen. Und dann kam das schlaue »Aha, der Theo will eine Banane!« Nicht ganz korrekt, aber von Banane zu Bananenbrei war es kein weiter Weg mehr. Theo musste der geschälten Banane, die man sich anschickte, ihm unzerkleinert in den Mund zu schieben, nur ausgiebigen Widerwillen und tiefe Verachtung entgegenbringen. Dann machten sie schon bald Brei daraus.
Nun, heute kann Theo über solch umständliche Zeremonien nur noch lachen. Heute nennt er die Dinge beim Namen. Er sagt: »Bananenbrei« – und da ist er. Und für den Fall, dass sich die Pädagogen aus asozialen Gründen oder aus purem Ignorantentum zieren, seiner Aufforderung nachzukommen, gibt es immer noch das unerschöpfliche Stilmittel der Wortwiederholung. Man kann sagen: Es ist exakt Theos Stil.
Theo spricht gern, offen, immer und über alles. Aber so weit sind wir noch gar nicht. Vor dem Wort begeisterte ihn der Klang der Laute. Nachdem er die Betreuervon Geburt an monatelang widerspruchslos auf sich einreden hatte lassen und dabei bereits durch alle Höhen und Tiefen stimmlicher Ausuferungen gegangen war, begann er mit seinem höchstpersönlichen Soundcheck und trat damit in eine leidenschaftliche Phase.
Jeder Laut, Umlaut oder Unlaut erscheint ihm nun jedenfalls interessant genug, trainiert zu werden. Und die meisten Klänge gewinnen überhaupt erst dadurch an Reiz, dass man sie öffentlich reifen lässt. Ein jodelndes »Düdeldi«, ein plapperndes »Wawawa«, ja selbst ein eher kryptisches »Mrrrgo« kann Theo schon leicht ein, zwei Stunden in Anspruch nehmen. Derlei Klangkörper fabriziert man natürlich nicht für und mit sich allein. Der Theo-Sound lebt vom organisierten Echo und seinen überraschenden Abwandlungen. Im Notfall genügt ein Erwachsener, günstiger sind zwei oder mehrere, damit sich die Laute im Raum besser verteilen und verschieben.
Bei Theos lustigem Klangkörper-Spiel, welches mehrmals täglich veranstaltet wird, gibt es passivere und aktivere Typen. Die einen plappern nur nach, was Theo ihnen vorgibt. Mit ihnen spielt er nur aus Verlegenheit, wenn sonst Wickeln oder Waschen oder ähnlich Ödes auf dem Programm stünde. Er wirft ihnen zum Beispiel ein aufrüttelndes »Pomp« hin – und sie sagen »Pomp«, nicht rasend originell, aber immerhin sind sie im Spiel. Manche machen wenigstens halbwegs lustige Gesichter dazu. Und die Hellsten unter den Passiven schwingen sich mitunter zu einem »Pomp-Pomp«auf, welches Theo die Möglichkeit gibt, auf »Pomp-Pomp-Pomp« zu erhöhen. Daraus könnte eine anregende längere Unterhaltung werden. Aber das kapieren sie nicht. Über »Pomp-Pomp-Pomp-Pomp-Pomp« ist das Spiel noch nie hinausgegangen.
Mit aktiven Geräuschpartnern lässt sich deutlich mehr anfangen. Sie machen aus Theos »Pomp« problemlos ein »Promp«. Theo kontert mit »Plomp«. Dem anderen fällt »Plump« ein. Und so geht es munter dahin, unterbrochen nur durch Theos Lachkrämpfe, wenn ihm eine Lautverschiebung besonders gelungen erscheint. Mit niveauvollen Spielgefährten ließe sich so die Zeit zwischen zwei Mahlzeiten mühelos überbrücken. Denn je länger gespielt wird, umso lustiger wird es. Theos Traumziel wäre es, eine mit »Pomp« begonnene Spielrunde einmal auf
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