Theo
sagen, wenn er wollte. Aber das ist nicht seine Taktik.
Theo arbeitet lieber in »Mixer«-Wellen. Nach einer Serie von fünf bis zehn Wiederholungen hört er abrupt auf – und versetzt seine bereits gezeichneten Pädagogen, die den Mixer nicht herausrücken wollen, in eine Art Euphorie der plötzlichen Ruhe. Wir kennen das Phänomen von lauter, schlechter Musik, die mit einem Schlag verstummt; wir fühlen uns sogleich genusssüchtig von allen Qualen des Lebens befreit.
In ebendieses Gefühl der Befreiung platzt unvermittelt Theos neue Serie hinein: »Mixer, Mixer, Mixer, Mixer, Mixer…« Wichtig dabei ist die ansteigend quälende Tendenz: Theo wiederholt das Wort jetzt öfter, er zappelt dazu heftiger, und seine Stimme ist schärfer undgreller als zuletzt. Damit will er den Pädagogen die Richtung angeben, in die sich der (einseitige) Wortwechsel mit den heimtückischen Ruhepausen entwickeln werde, lässt man ihn nicht endlich ans Gerät.
Nach dem dritten und vierten »Mixer«-Wiederholungsschub sind Theos Chancen auf das bessere Ende erfahrungsgemäß am größten. Und er hat förmlich schon die resignative Stimme des Verlierers im Ohr, mit der dieser seine Niederlage eingesteht: »Gut, Theo, du hast gewonnen, nimm den Mixer, werde glücklich damit. Bind dir das Kabel um den Hals, steck es an den Strom an, dreh den Knopf auf, leg die Finger hinein, zermalm dir deine Ohren, zerhack dir deine Zehen, tu, was du nicht lassen kannst. Nur bitte eines, Theo, bitte, sag nie wieder ›Mixer‹, hörst du? Niiie wiiiieder ›Mixer‹, okay?«
Wird er nicht auf diese oder ähnliche Weise zum Sieger durch technischen K. o. erklärt, kann es passieren, dass ihm seine eigenen Wortwiederholungen langsam auf die Nerven gehen. (Wir kennen das Phänomen von lauter, schlechter Musik, die wir selbst spielen, niemand dreht ab – und plötzlich kommen wir dahinter, wie laut und schlecht die Musik eigentlich ist.) Nach fünf vergeblichen »Mixer«-Serien ist es jedenfalls an der Zeit, die Variante zu wechseln und den Ton zu verschärfen. Sprachlich gibt es da keine Probleme – man muss sich nur im Verwandtenkreis umhören, was die Leute so sagen, wenn sie etwas haben wollen.
Theo probiert es mit einem ruppigen: »Mixer her!« –Nein? Dann vielleicht: »Mixer her, gemma, gemma!« Was gibt’s da zu lachen? – »Mixer her, dalli, dalli!« Alles schon gehört in der Josef-Ressel-Straße. »Mixer her, aber ein bisschen plötzlich!« Gefällt ihm zwar, dem Papa, aber er reagiert nicht. Das zwingt Theo zu einer grundsätzlichen Frage: »Hast du Bohnen in den Ohren?« (Wie gut, dass es die Oma und ihre Sprüche gibt.) Kommt hervorragend an. Papa windet sich vor Lachen, seine Konzentration auf die Verteidigung des Mixers lässt deutlich nach. »Mama«, ruft Theo durchs Haus, »weißt du, was der Papa hat?« – »Nein, was hat er?«, entgegnet die Stimme aus dem Wohnzimmer. »Der Papa hat Bohnen in den Ohren!«, erwidert Theo. Das will sie jetzt genauer wissen. Sie kommt dafür eigens in die Küche und fragt: »Was hat der Papa?« Theo bleibt dabei: »Der Papa hat Bohnen in den Ohren.« – »Was machen wir denn da?«, fragt die Mama. »Müss ma rausgeben«, schlägt Theo vor. Am besten, die Mama macht das gleich an Ort und Stelle. Und in der Zwischenzeit kann sich Theo um den unbeaufsichtigten Mixer kümmern.
Auch wenn Sie vom Küchenmixer im Hause Theo und Anhang bereits restlos reizüberflutet sind und sich nichts sehnlicher wünschen, als dass das Kind das Gerät nun endlich an sich reißen könnte, um der Sache ein Ende zu bereiten – nein, tut uns schrecklich leid, so leicht geht das nicht. Wir haben es hier mit beinharten Erziehungsberechtigten zu tun, die vielleicht nicht immer wissen, warum sie etwas verbieten. Aber dass siees verbieten, das wissen sie. Und das merken sie sich auch. Und dabei wollen sie bleiben. Da sind sie unerbittlich.
Auf der gegnerischen Seite haben wir einen jungen unverbrauchten Menschen in der sprühenden Phase der Erlangung des Vollbesitzes seiner geistigen Kräfte. Er strotzt vor Energien und motiviert sich durch Widerstände, die ihn zu Höchstleistungen seiner Sinnesfähigkeiten zwingen. Was etwa den Mixer betrifft, so hält Theo bei folgendem Zwischenstand: Gut, die Mimik hat versagt. Gut, die Worte haben ihre Wirkung verfehlt. Bleibt immer noch sein akustisches Kapital, bleibt immer noch seine Vielfalt an Stimmen. Damit hat er schon fettere Dinge an Land gezogen als dieses läppische
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