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Theo

Titel: Theo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Sekunden werden könnte, wenn sie den Mixer nicht sofort herausrücken.
    Sagen wir: Sie tun es nicht. – Das hätten sie besser nicht tun sollen. Denn die Sirene, die Theo bei »hart-weinerlich« hochstartet, ist vielleicht in der Küche des Nachbarhauses erträglich, nicht aber in der eigenen, wo das Porzellan bereits unheilschwanger zu tanzen beginnt. Auch seine Mimik und seine Gesten zeigen derart heftig sein dringendes Verlangen, dass man sich als Erwachsener gezwungen sieht, sofort nachzugeben. Nicht aus vernünftiger Einsicht, denn eine solche setzte Denkvorgänge voraus. An Denken aber ist nicht zu denken, wenn Theo auf »hart-weinerlich« macht. Da zählt nur noch rasches Handeln, um die Situation zu entspannen. Also überlässt man Theo den Mixer.
    Sagen wir: Er kriegt ihn nicht. Sagen wir, jene, die ihm körperlich überlegen sind, spielen diesen Vorteil brutal aus und geben das lustige Gerät, das so gut riecht, noch immer nicht her. Theo kennt zwei Masochisten dieser Art. Einer fängt mit »P« und eine mit »M« an. Natürlichwissen auch sie, dass sie erpressbar sind. (Haben wir ja oft genug geübt.) Aber manchmal wollen sie es nicht wahrhaben. Da hört man Dinge wie: »Theo, du kannst tun und lassen, was du willst, den Mixer kriegst du nicht, du bist zu klein dafür, da kannst du dir wehtun, da kannst du deine Finger verlieren, die Maschine macht ein Frappé daraus, also gib die Hände weg. Und wenn du schlimm bist, dann stecken wir dich sofort ins Bett, und dort bleibst du dann, bis du dich wieder beruhigt hast. Und wenn du dich nicht mehr beruhigst, dann bleibst du eben dein Leben lang im Bett.« – Und ähnlichen Schwachsinn.
    Geht es also in dieser Weise hart auf hart, wechselt Theo übergangslos auf »Seele aus dem Leib schluchzen«. Dieses Gesicht bietet den sturen Mixer-Verteidigern ein erschütterndes Bild des Grauens. Es löst erstens Mitleidsstürme aus und weist zweitens auf die akute Gefahr einer bleibenden gesundheitlichen Beeinträchtigung durch diesen Zustand exzessiver Verzweiflung hin. Theo weint so, dass es den anderen körperlich wehtut und dass sie gleichzeitig erkennen, mit welchen enormen Schmerzen es für ihn selbst verbunden sein muss. Um Theo, den erbärmlichen Seele-aus-dem-Leib-Schluchzenden, zu erlösen und ihn irgendwann in seinem noch so jungen Leben wieder lachen sehen zu können, hilft nur eines: Mixer hergeben, aber schnell!
    Sie glauben wohl, das war es dann. Irrtum. Selbst in dieser Situation hört man nur allzu oft: »Theo, nein,den Mixer kriegst du nicht …« Warum müssen sie ihm das antun? Muss ihm erst das Herz brechen, wollen sie ihm den Mixer erst auf sein Grab legen? – Mit »Seele aus dem Leib schluchzen« hat Theo sein Repertoire so gut wie ausgeschöpft. In den Endphasen des Kräftemessens kann er nur noch letzte zornige Verzweiflungstaten setzen: kräftig aufstampfen, Luft anhalten, rot werden, blau werden. Aber wenn es einmal so weit kommen muss, dann ist der Mixer offensichtlich unerreichbar.
    Außerdem: So rasend interessant ist er nun auch wieder nicht. Eigentlich ist er sogar ziemlich langweilig. Sollen sie mit ihm doch machen, was sie wollen! Ist ohnehin keiner heiß darauf. Angenommen, sie wenden sich jetzt auf einmal Theo zu und sagen: »Also gut, wir haben es uns überlegt, du kannst den Mixer haben.« – Er würde ihn gar nicht annehmen. Sie könnten ihm mit dem Mixer durch das ganze Haus nachlaufen, sie könnten auf den Knien rutschen und ihn anflehen, er solle ihn doch endlich nehmen. Nein, würde er nicht. Wozu? Blöder Mixer.
    Schade um jede Träne, schade um den gesamten Aufwand. Nie wieder »zart-weinerlich«, nie wieder »hart-weinerlich«, nie wieder »Seele aus dem Leib schluchzen«. Theo lächelt. Theo lacht. Theo strahlt. Der Mixer kann ihm bis auf weiteres gestohlen bleiben. Und sollte er ihn jemals in seinem Leben wieder haben wollen, dann holt er ihn sich. Er weiß ja, wo er ist.

Theo spricht
     
    Wie gut, dass Theo jetzt auch sprechen kann. Seine Lebensqualität hat sich dadurch beträchtlich gesteigert. Führen wir uns am Beispiel Bananenbrei die Entwicklung vor Augen: Am Anfang war Theo noch gar nicht fähig, Bananenbrei haben zu wollen. (Er hat nicht einmal gewusst, dass es ihn gibt.) Er war also auf die bananenbreimäßige Zwangsbeglückung reiferer Personen angewiesen, die aus einer Laune heraus plötzlich zur Ansicht neigten, Theo wolle vielleicht Bananenbrei. Vielleicht, vielleicht aber auch nicht, hineinstopfen könne

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