Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Theo

Titel: Theo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
Lauerstellung ganz leicht auf und ab. Der Ankömmling wird von Theo auf derart lustvoll angespannte Weise fixiert, als würde einer seiner nächsten Schritte durch eine getarnte Falltür in die Tiefe führen, und Theo könnte gerade noch beobachten, wie er »Uuuaaaaaaaa« schreit und dabei lustig dreinschaut.
    Um beim Beispiel der Falltür zu bleiben: Nach gelungenem Fall des Komikers würde Theos Gesichtsausdruck in »heiter-schelmisch« übergehen. Dabei sind seine Augen in turbulenter Rollbewegung. Die Mundwinkel spannen sich weit zurück und lassen den Milchzähnen genügend Freiraum, um breit zu grinsen. Die damit verbundenen Geräusche sind mitunter so heftig, dass der ganze Körper vibriert.
    »Heiter-schelmisch« hat natürlich viel mit Schadenfreude zu tun. Theo ergötzt sich vorzugsweise am Unbehagen der anderen, so wie wir es tun. Der Unterschied: Theo geht davon aus, dass der Spaß auf Gegenseitigkeit beruht, dass also auch der, der den Schaden und den Spott hat, irgendwo auf seine Rechnungkommt, und sei es nur durch Theos aufmunternde Würdigung des gekonnt in Szene gesetzten Misserfolgs. Soll er weinen? Er selbst kann ja nichts dafür. So sind die Rollen nun einmal verteilt. Zum Spiel gehören eben zwei – Theo und der jeweilige Verlierer.
    Auf dem Gebiet der Heiterkeit beherrscht Theo, der knapp Dreijährige, bereits so viele Gesichter, dass wir ein eigenes Buch benötigten, um sie alle zu beschreiben. Vielleicht sollten wir wenigstens noch »heiter-schläfrig« erwähnen, eine Stimmung, die Theo täglich mehrmals (und oftmals stündlich) durchlebt. Im »heiter-schläfrigen« Zustand ist Theo der Welt, die er sonst stets stürmisch in Atem hält, auf geradezu mystische Weise entrückt, als wäre in ihm selbst ein Energiesparprogramm eingebaut, und er hätte nun die entsprechende Taste gedrückt. Sein Gesicht präsentiert sich in absolut entspanntem Zustand. Die Augen sind gerade weit genug offen, um der Außenwelt zu zeigen, dass sie sich keineswegs unbeobachtet zu fühlen braucht. Die Lippen bedecken einander, die Zunge dahinter ist gut verstaut, der Mund hat sich in seine natürliche Position ausgependelt – lächelnd. Ernster schafft er es eben nicht.
    Wäre nicht uninteressant zu wissen, was in Theos Kopf in diesem so dezent fröhlichen Dämmerzustand vorgeht. Denn er birgt etwas beneidenswert Unantastbares in sich und strahlt gleichzeitig ein hohes Maß an Selbstzufriedenheit, Überlegenheit und Altersweisheit aus. – Typisch die Alten, dass sie wieder einmal nichtaufhören können, etwas in ihn hineinzuinterpretieren. Wahrscheinlich ist Theo einfach nur müde, denkt an gar nichts und hat das seltene Glück, dabei intelligent auszuschauen. Setzt sich dieses Gesicht bei ihm durch, wird ihm die Welt zu Füßen liegen. Und er kann sich dabei auch noch ausruhen.
    Kommen wir nun zu den deutlich unterbesetzten finsteren Gesichtsausdrücken. Sie entstehen aus offensichtlich misslungenen Rollenspielen, wenn sich einer der potenziellen Verlierer aus dem umliegenden Pädagogenkreis nicht an die Spielregeln hält und sich anschickt, Theo den Spaß zu verderben. Diese Fehlentwicklung hat sogar einen eigenen Decknamen: VERBOT. Das Wort muss man sich auf der Zunge zergehen lassen (bevor man es ausspuckt und mit fester Schuhsohle in den Boden drückt).
    Wichtig ist die Früherkennung. Da sind die Chancen, dass ein sich anbahnendes Verbot noch abgewendet werden kann, relativ groß. Als Einstieg verwendet Theo gemeinhin den Gesichtsausdruck »zart-weinerlich«. Als Beispiel nehmen wir den hauseigenen Mixer, der aus Bananen, Erdbeeren und Ähnlichem einen köstlichen gelben, roten oder sonstigen Matsch machen kann. Nennen Sie bitte einen vernünftigen Grund, warum Theo dieses Gerät, welches dazu da ist, der Menschheit (und allen voran Theo) Gutes zu tun, nicht selbst in Betrieb nehmen darf. – Eben, es gibt keinen!
    Aber Theo hat da einen sechsten Sinn, der auf Misstrauen trainiert ist, denn in der Küche sind Erwachsenein ihrer Willkür oft unberechenbar. Also begleitet er seine eindeutige Handbewegung, »Gebt mir den Mixer, und zwar möglichst schnell!«, mit einem präventiv »zart-weinerlichen« Gesicht, welches man etwa bei Menschen sieht, wenn sie sich ein Viertel Zitronensaft pur in den Rachen stoßen. Das Zarte an »zart-weinerlich« ist die Geräuschlosigkeit. Sie sorgt für gefährliche Ruhe vor dem Sturm und lebt von der Angst der Heimpädagogen, was aus diesem Gesicht innerhalb von Bruchteilen von

Weitere Kostenlose Bücher