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Theo

Titel: Theo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Küchengerät.
    Theos Alltagsstimme ist die des heiteren hellen, hohen Gesanges. Sie vermittelt jene Leichtigkeit, mit der Theo alles zu kriegen glaubt, was er haben will. Und die Praxis gibt ihm ja in den meisten Fällen recht, sodass seine Stimme, vom Erfolg getragen, immer leichter und leichter, immer heller und heller wird. Es gibt Erwachsene, die behaupten, sie hätten noch nie ein Kind in derart fröhlich hohen Tönen singen gehört, wie Theo spricht.
    Herausragend ist Theos Leistung auf dem Gebiet der zweisilbigen Wörter. Unter der erweiterten Terz spielt sich hier gar nichts ab. Zumeist springt Theo in Quinten, Sexten, Septimen oder Oktaven von einer Silbe zur nächsten. Ist das Wort eine Frage, springt er hinauf.Will Theo etwas durchsetzen, was öfter der Fall ist, springt er hinunter.
    Wenn nun Theo endlich, nach so vielen gescheiterten Versuchen, den Mixer stimmlich an sich reißen will, dann ist das »Mi«, die erste Silbe des Wortes, für das menschliche Gehör auf Anhieb gar nicht registrierbar. Erst durch den vergleichsweise tiefen zweiten Teil, das »Xer«, gewinnt man einen lebendigen Eindruck, wie ernst es Theo diesmal meint. Und jetzt erst schmerzt die nicht wahrgenommene erste Silbe wie ein Stecknadelstich im pädagogischen Ohr, welches gut von böse, richtig von falsch und klug von dumm nicht mehr unterscheiden kann, wenn die entsprechende Frequenz einmal überschritten ist. Nach einer Serie von zehn solcherart gesetzten Theo-»Mi-xern« empfiehlt es sich, einen Hals-Nasen-Ohren-Spezialisten aufzusuchen.
    Sollte mit einzelnen Wörtern nichts zu erreichen sein, sollte sich Theo also bereits gezwungen sehen, ganze Sätze zu formulieren, sollte deren Inhalt allerdings nicht den gewünschten Erfolg (Mixer) zeitigen – so muss er die Wortkombinationen einfach kräftiger betonen. Der virtuelle Gesang der spielerischen Leichtigkeit, mit dem sich Theo in der Josef-Ressel-Straße bereits einen Namen gemacht hat, ist hier ein untaugliches Mittel. Er macht zu wenig Druck. Theo muss den Mixer-Verteidigern exzessiv auf die Nerven gehen, das ist seine letzte Chance.
    Natürlich, er kann seine Botschaft hinausjammern, hinausschluchzen, hinausbrüllen. Er kann röhren wieein Hirsch, der ein Saxofon verschluckt hat, grunzen wie ein A-cappella-Chor von Hängebauchschweinen, heulen wie die Bee Gees bei ihrem Abschiedskonzert im Jahr 2034. Aber Theos stärkste Stimme ist authentisch. Die hat er selbst entwickelt. Dafür gibt es weder Vorbilder noch potenzielle Imitatoren. Es ist die Stimme des vermeintlichen Erstickungstodeskampfes.
    Die Wortwahl ist dabei weniger wichtig als das stoßweise Herauswürgen der einzelnen hyperventilierten Laute. Um die Stakkato-Dichte zu erhöhen, baut Theo in seinen Vortrag ekstatische Weinkrämpfe ein und schüttelt dazu heftig seinen mittlerweile bereits hochroten Kopf. Das Ergebnis klingt dann etwa so: »The hh O hh Will hh Mi hh Xer hh So hh Fort hh Will hh The hh O hh Mi hh Xer.« – Urteilen Sie selbst: Steht der Schaden, den ein rotierendes Küchengerät an einem Kleinkind anrichten kann, im Verhältnis zu einer derartigen Geräuschkombination?
    Beenden wir hiermit den ungleichen Kampf. Sagen wir: Theo hat gewonnen. Sagen wir: Die geläuterten Pädagogen, die nun sogar daran denken, ihre Karriere zu beenden, schütteln dem Triumphator sportlich-fair die Hand und schicken sich an, ihm den Siegespreis zu überreichen. Doch was macht Theo? Er zieht die Hände zurück, versteckt sie verschämt hinter seinem Rücken. Er braucht keinen Mixer. Er greift so ein Ding gar nicht an. Viel zu gefährlich. Was da alles passieren kann! Er wollte eigentlich nur wissen, ob er ihn kriegen kann. Jetzt weiß er es. Danke, das genügt.

Theo telefoniert
     
    Es gibt noch einen dritten Grund, warum Theo die Sprache liebt. Erstens klingt sie gut. Zweitens erzwingt man damit scheinbar unerreichbare Küchengeräte. Drittens, und das ist wirklich eine feine Sache: Man kann telefonieren.
    Ein Telefongespräch mit Theo ist nicht nur für ihn selbst ein Erlebnis. (Wenn seine Eltern einverstanden sind, geben wir Ihnen die Festnetz-Nummer, dann können Sie es selbst einmal ausprobieren. Rechnen Sie allerdings schon jetzt damit, dass dieser Anschluss nur selten nicht besetzt sein wird.)
    Klingelt es in Theos Elternhaus, und es wird abgehoben, bieten sich dem Anrufer zwei Möglichkeiten: Entweder jemand meldet sich, oder Theo ist am Apparat. Im zweiten Fall geht das Freizeichen in gesunde Atemgeräusche, in

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