Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Theo

Titel: Theo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
müssen warten. Du nicht. Du kommst jetzt herein.« Theo (weinerlich): »Müss ma warten!«
    Weil die Fremden derzeit zu Theos Lieblingspersonen zählen und dieser Trend weiterhin steigend ist, sodass seine Eltern langsam damit rechnen sollten, dass Theo sie bereits im Winter verlassen wird, um sich einer (unbekannten) Wohngemeinschaft anzuschließen, wollen wir uns noch mit einer zweiten, andersartigen Kontaktaufnahme mit fremden Personen beschäftigen.
    Sie entwickelt sich aus Situationen, in denen Theo in Begleitung eines Betreuers aus dem ständigen Pädagogenkreis auf jemanden trifft, den er noch nie zuvor gesehen hat. Das Studium dieses neuen Menschen ist für Theo so spektakulär, dass er gleich beide daran teilhaben lässt, seinen Vertrauten und den Fremden. Das gestaltet sich dann etwa so:
    Theos Betreuer und Chauffeur stellt sich in einem Kaufhaus bei der Wurstabteilung an, wo noch einige andere Personen darauf warten, bedient zu werden. Theo sitzt im Einkaufswagen und beobachtet die Verkäuferin, die alle Hände voll zu tun hat, mit großenAugen und offenem Mund. Schon scheint es, als würde er seine spürbare Faszination für das Phänomen einer wurstverkaufenden fremden Person für sich behalten können.
    Doch plötzlich platzt es aus ihm heraus: »Schau!«, ruft er seinem Pädagogen zu – man hört es bis hinüber zur Käseabteilung. »Die Frau da!« – sagt es und zeigt mit dem Finger auf sie. »Theo, das tut man nicht«, flüstert der Betreuer verschämt. Aber Theo hat noch gar nicht wirklich begonnen: »Schau, die Frau da, die mit den roten Haaren, die Rote da, schau!« Die gestresste Verkäuferin blickt kurz einmal von der Wurstschneidemaschine auf und lächelt verlegen. Der Betreuer, stimmlos: »Theeeo, büüüüttte!«
    Theo: »Schau, die Frau da, die mit den roten Haaren, die dicke …« Der Betreuer hält Theo den Mund zu. Theo reißt sich los und startet neu an: »Schau, die Frau da, die dicke Frau mit den roten Haaren, was macht die da?« – »Pssssst, Theo, das ist die Verkäuferin, die schneidet Wurst, und jetzt ist eine Ruhe«, flüstert der hochrote Pädagoge. »Und sag nie, nie, nie wieder ›dicke Frau‹. Wenn du noch einmal ›dicke Frau‹ sagst, darfst du nie, nie, nie wieder mit mir einkaufen gehen!«
    Nachdenkpause für Theo. Die gestresste Verkäuferin nimmt die Wurst von der Schneidemaschine und wickelt sie in Papier ein. Theo kann nicht mehr: »Schau, die Frau da, die mit den roten Haaren, die dicke Frau, die da Wurst schneidet, was macht die da mit derWurst?« – Die Verkäuferin lächelt Theo ein zweites Mal verlegen zu, diesmal allerdings schon ein wenig aggressiver. Der Betreuer schiebt den mit Theo besetzten Einkaufswagen resignativ zur Seite und setzt gegenüber den umstehenden Personen eine tapfer-saure »So-sind-sie-eben-die-kleinen-Kinder«-Miene auf.
    Theo ist man indes noch eine Antwort schuldig: »Was macht die da mit der Wurst, die Frau da, die mit den roten Haaren, die (Mund zu) Frau da?« – Vielleicht sollte man diesmal doch auf verpackte Wurst aus der Vitrine zurückgreifen.
    Ein wartender Kunde lächelt Theo aufmunternd zu. Theo starrt ihn einige Augenblicke an. Dann sagt er zu seinem Einkaufswagenführer: »Schau, der Mann da, der mit der roten Nase, was macht der da?« – Damit wäre der Einkauf eigentlich erledigt. Bei der Wurst stehen ohnehin zu viele Leute. Den Rest kann der Pädagoge auch ein anderes Mal besorgen. Ohne Theo.

Theo unter Tieren
     
    Theo mag Tiere. Sie sind weich und warm. Man kann sie streicheln. Man kann ihren Kopf in den Mund nehmen. Man kann hineinbeißen. Manche quietschen dabei, die mag er weniger. Er bevorzugt die robusten, hartgesottenen und stillen. Aurelius, den Affen, zum Beispiel, den kann man gegen die Wand donnern, und er nimmt’s einem nicht übel. Nachher schaut er genauso belämmert drein wie vorher.
    Auch Rüdiger, das Nilpferd, war so ein Typ. Aber der war vielleicht doch ein bisschen zu weich für diese Welt. Der hat sich nach Theos fünfter Links-rechts-Wurf-Kombination in Serie an einem Tischbein den Bauch aufgeschlitzt. Zum Glück dürfte es nicht wehgetan haben. Keiner der menschlichen Stofftierschützer hat eine Szene daraus gemacht. Seltsamerweise blieb Rüdiger nach diesem Vorfall spurlos verschwunden. Wahrscheinlich schmollt er in einem Theo bisher noch verborgen gebliebenen Winkel der Wohnung.
    Theos Lieblingstiere sind die plattgedrückten aus den Bilderbüchern. Sie haben die schönsten Farben und die

Weitere Kostenlose Bücher