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Theo

Titel: Theo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Wer (oder was) ist das? Zweitens: Was macht der (die, das) da? Wenn sich nun an jenem Karsamstag in den Becken des Hauses 2344 Tiere und Pflanzen tummelten, so stellte Theo anlässlich seines Besuches – richtig: 4688 Fragen.
    Jede einzelne schrie nach mindestens einer Antwort. Tat es die Frage nicht laut genug, so half Theo nach. War die Antwort unbefriedigend, fragte Theo weiter und weiter, bis etwas Klügeres kam. Zum Glück legte sich Theo nicht darauf fest, wer ihm die Antwort zu geben hätte. Immer wieder erbarmten sich benachbarte Aquariumfenstergucker und halfen mit, Theos Wissensdurst über die Existenzberechtigung von Wassertieren zu stillen.
    Theo hielt die Fische übrigens allesamt für Vögel, weil ihm das Wasser von schräg unten betrachtet, wo er vom Träger zum Beobachten abgestellt wurde, wie Luft vorkam. (Ein schönes Kompliment für die Fensterputzer im Haus des Meeres.) Da aber Luft normalerweise zu durchgreifen ist und die seltsam geformten Vögel, sofern sie nicht überhaupt regungslos in der Luft hingen, derart langsam herumflogen, dass sie leicht zu packen hätten sein müssen, legte es Theo zunächst einmal darauf an, so ein Ding im Flug einzukassieren. Nachher konnte er immer noch und sogar gezielter »Was ist das?« und »Was macht das da?« fragen.
    Aber daraus wurde nichts. Wie es Theo auch versuchte, ob mit zarter Hand oder mit dem Brecheisen – immerzu legte sich eine unsichtbare Wand dazwischen und verwehrte ihm den Zugriff. Und die arroganten Vögel machten nicht einmal die leisesten Anstalten davonzufliegen. Die waren sich ihrer Sache wohl sehr sicher.
    Da sich nun auch kein Erwachsener fand, der diesestechnische Problem zugunsten Theos zu lösen bereit war und ihm wenigstens einen dieser Vögel herausfing und in die Hand drückte, gab das Haus des Meeres plötzlich nichts mehr her, sodass sich Theo nicht vorstellen konnte, hier einen ganzen Nachmittag zu verleben. Aber wenn er schon einmal da war, wollte er wenigstens wissen, mit wem er es zu tun hatte. Also konzentrierte er sich auf seine zwei Fragen.
    In der Schlangenabteilung entwickelte sich daraus ein anspruchsvoller Dialog. Theo: »Was ist das?« Träger: »Das ist eine Schlange.« Theo: »Was macht die da?« Träger (verlegen): »Äh, hm, derzeit nichts.« Theo: »Was macht die da?« Träger: »Die ist zusammengerollt.« Theo: »Was macht die da?« Träger: »Die liegt einfach nur da herum.« Theo: »Was macht die da?« Träger: »Die schläft.« – Theo presst seine Nase ans Glas und betrachtet die Schlange mit kritisch prüfendem Blick. Dann sagt er nichts mehr. »Die schläft« war offensichtlich überzeugend.
    Auf zum nächsten Behälter, dort wartet bereits die Nachbarschlange. Theo: »Was ist das?« Träger: »Eine Schlange.« Theo: »Was ist das?« Träger: »Auch eine Schlange.« Theo: »Was ist das?« Träger: »Theo, wirklich, das ist auch eine Schlange, hier sind lauter Schlangen, wir sind in der Schlangenabteilung. Da gibt es viele Schlangen!« – Pause. Einsicht. Theo: »Was macht die da?« Träger: »Sie schläft.« Theo: »Genug.«
    Die Schildkröten waren Theo schon unsympathisch, bevor er erfuhr, dass auch sie nichts Besseres mit sichanzufangen wussten, als sich den Tag zur Nacht zu machen. Ein einziges aufgewecktes Exemplar kroch von A nach B. Theo (angewidert): »Was macht die da?« Träger: »Die kriecht.« Diese Auskunft hat voll eingeschlagen, denn Theo fragt: »Wohin?« Träger: »Einfach nur herum.« Theo: »Wohin?« Träger: »Das weiß sie wahrscheinlich selber nicht.« Theo: »Wohin?« Träger: »Sie sucht Futter und bringt es dann zu ihren schlafenden Familienangehörigen.« (Notlüge.) Theo: »Genug.«
    An den kleinen Fischen fand Theo Gefallen. Besonders an jenem roten, der sich von der Gruppe abgesondert hatte und in meditativer Pose hinter einer Koralle harrte. »Was ist das?«, fragte er mit Anflügen von Begeisterung.« Träger: »Ein roter Fisch.« Theo: »Was macht der da?« Träger überlegt zu lang. Theo: »Der versteckt sich vor dem blauen.« – Eine sensationelle Beobachtung, wenngleich von einem blauen Fisch in diesem Aquarium jede Spur fehlte.
    Nun schritten wir zum unumstrittenen Höhepunkt der Meereshausvisite, zum Schaufenster des großen Ammenhais, wo sich der Eintrittspreis endlich auch für die Erwachsenen zu rechnen beginnt. »Schau, Theo«, rief der Träger enthemmt. »Theo, schau, was der Hai für einen großen Mund hat. Schau, wie er mit der Schnauze im Sand

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