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Theo

Titel: Theo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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(ungeduldig): »Nein, nicht der Mann, der die Fite verteilt! Was ist das da?« – Theo beugt sich noch weiter vor, streckt den Arm aus und rudert damit heftig in der Luft.
    Betreuer (verzweifelt): »Theo, dort, wo du hinzeigst, sind die Seelöwen und der Wärter mit dem Eimer, aus dem er die Fische nimmt. Ich weiß nicht, was du meinst.« Theo (weinerlich und heftig zappelnd): »Was – ist – das – da?« Jetzt beugt er sich so weit vor, dass er es mit den Fingern schon beinahe berühren kann.
    Endlich erspäht das pädagogische Auge jenes (unmittelbar vor ihm auf einer Stange hängende) Ding, welchem seit geraumer Zeit Theos ungeteilte Aufmerksamkeit galt. Und der Betreuer antwortet mit ruhiger Stimme: »Das ist ein Handschuh.« Theo (begeistert): »Was macht der da?« Betreuer (depressiv): »Der hängt da. Den dürfte jemand vergessen haben.« Theo: »Warum hat den jemand vergessen?« Betreuer: »Weil er ihn einfach vergessen hat.« Theo: »Warum hat er ihn einfach vergessen?« Betreuer (grantig): »Theo, das ist doch jetzt wirklich nicht so interessant!« – Theo (zappelig): »Was macht der da, der Hand-tuh? Wem gehört der Hand-tuh? Wer hat den Hand-tuh da einfach vergessen? Warum hat da wer den Hand-tuh einfach vergessen?« Betreuer: »Genug.«
    Als der große Seelöwe am Höhepunkt der gloriosen Vorführung fünf in verschiedene Richtungen geworfenen Fischen gleichzeitig nachsprang, dabei schwindligwurde, die Kontrolle über sich verlor und mit einem Bauchfleck im Becken landete, entdeckte Theo, abseits des Geschehens, eine neue Pfütze.
    Wenn Sie glauben, dass der Schönbrunn-Besuch auf tierpädagogisch derart bedrückende Weise enden musste, so irren Sie sich. Geschichten, in denen Theo die Hauptrolle spielt, gehen immer gut aus, zumindest für Theo. Die Besichtigung des Handschuhs vor dem Seelöwenbecken sollte nicht der End-, sondern der Wendepunkt im Zoo sein.
    Wir kommen somit zum erfreulichen Teil, in dem Theo plötzlich Zugang zu den Tieren fand. Was heißt Zugang! – Er trat ihnen vor Begeisterung förmlich die Gehege und Stallungen ein. Und das verdanken wir – der Entdeckung des Fotoapparats.
    »Was ist das da?«, fragte Theo den Betreuer, der noch einmal die Seelöwen beim Füttern verewigen wollte, um Theo im Nachhinein zu zeigen, was dieser mutwillig versäumt hatte. »Das ist ein Fotoapparat«, antwortete der Pädagoge. »Was macht der da?« – »Fotos.« – »Wie macht der das?« – »Man schaut in dieses Fenster hinein und drückt auf diesen Knopf. Das nennt man fotografieren.« Theo lachte.
    Plötzlich war er wie verwandelt. Er vergaß die Pfützen unter seinen Füßen, stürmte zum erstbesten Gehege, zeigte auf das nächstbeste Tier und fragte: »Was ist das?« – Der (stolze) Betreuer kam gleich zur Sache (und hoffte, dass noch viele andere Kinder zuhörten): »Theo, das hier ist ein Elefant. Wir unterscheiden denindischen vom afrikanischen Elefanten. Dieser hier ist ein …« – »Müss ma fotografieren«, unterbrach Theo. – Und sie fotografierten.
    Wie man zu zweit mit Theo fotografiert? – Ganz einfach. Der Betreuer hält den Apparat, ganz egal, wohin, nur fest muss er ihn halten. Theo fixiert das Motiv seiner Wahl mit scharfem Blick und lässt es nicht mehr aus den Augen, tastet sich mit dem Daumen zum Auslöserknopf der Kamera vor, nimmt auch seinen zweiten Daumen zu Hilfe und drückt mit einer schraubenden Bewegung gut eine halbe Minute lang kräftig darauf – etwa so, wie man eine Zigarette ausdämpft.
    Dann zieht er plötzlich blitzschnell die Finger ein, als hätte er sich verbrannt, dreht seinen Kopf ruckartig zum Kamera-Träger und fragt in höchster Aufregung: »Haben wir fotografiert?« – »Ja, Theo, wir haben«, beruhigt der Foto-Pädagoge.
    Theos zweite wichtige Frage (im konkreten Fall): »Haben wir den Elefanten fotografiert?« – »Möglicherweise – mit ein bisschen Glück«, erwiderte der Foto-Pädagoge. Theos dritte wichtige Frage: »Wo ist das Foto?« – »Hier drinnen«, antwortete der Foto-Pädagoge und tippte mit dem Finger auf die Kamera. Theos dringliche Empfehlung: »Müss ma Foto rausnehmen.« – »Das geht jetzt nicht«, entgegnete der Foto-Pädagoge: »Wir müssen den Film erst entwickeln lassen.« – »Müss ma entwickeln lassen«, meinte nun auch Theo – und nickte tapfer.
    Der Schönbrunn-Besuch war jedenfalls gerettet. Erhatte sich vom einfachen Pfützenlauf zur gediegenen Fotosafari gemausert. Kein noch so gut verstecktes Tier,

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