Theo
entkleiden und einen Rückspiegel verdrehen.
Und wäre auch das vergebens gewesen, könnte er wie ein an einen Verstärker angeschlossener lockerer Keilriemen quietschen. Darauf ließ sich keiner ein. »Sag’s du«, sagte der Papa zur Mama. Und die brachte es dann über die Lippen: »Theo, das ist ein Auto, aber vergiss es.« – Was Theo vergessen sollte, entschied immer noch er. So sprach er mit einer Verklärtheit, die man an ihm bis dahin nur bei »Billa« gesehen hatte: »Auto, Auto, Auto, Auto …« Im Geiste eroberte er damals erstmals in seinem Leben die Poleposition und schwor sich, sie nie wieder abzugeben.
Theo liebt die kleinen Autos, die es in allen guten Stuben gibt, genauso wie die großen auf der Straße. Die Gleichstellung hat einen diplomatischen Hintergrund.Denn die kleinen Autos sind zwar an und für sich reizloser, gehören aber unumstritten ihm, oder zumindest darf er sie allesamt benützen, während man ihn an die großen Autos noch nicht annähernd so heranlässt, wie er sich das vorstellen könnte: Weder darf er am Schalthebel rütteln, noch auf die Hupe klopfen, noch jemals wieder auf den kleinen Knopf drücken, wo dann lauter Nuller aufscheinen.
Aber die größte Frechheit: Er darf nicht fahren. Sie haben richtig gehört – man lässt ihn einfach nicht fahren. Er kann machen, was er will. Er hat bereits alles getan, was er konnte, die Anrainer wissen das. Aber er durfte dennoch nicht fahren. Irgendetwas stimmt da nicht mit den Erwachsenen.
Jeder andere Mensch der Welt (oder zumindest der Josef-Ressel-Straße) darf fahren, die gesamte Familie darf es, sogar die Uroma. Jeder darf seinen Spaß haben, nur Theo nicht. Das ist ungerecht, das ist so himmelschreiend ungerecht, da könnte er sich so maßlos aufregen! Aber es bringt ja nichts – leere Kilometer. Also liebt Theo die kleinen Autos genauso wie die großen. Denn die darf er bedienen, wie er will.
Die beeindruckendsten Eigenschaften der kleinen Autos sind ihre Vielzahl, die beliebige Austauschbarkeit (Theo wechselt sie wie die Windeln) und die Leichtigkeit, mit der man überall Parkplätze für sie findet, sei es in Hosentaschen, Mantelsäcken oder daheim im Gefrierfach (Tiefkühlgarage). Manchmal sogar mit angeschlossener Waschstraße, aber das kam nicht so gutan. »Theo, wir wollen nie, nie, nie wieder Autos in der Klomuschel und im Geschirrspüler sehen!«, hieß es – und gar nicht leise.
Bei den kleinen Autos unterscheidet Theo die eigenen von den so-gut-wie-eigenen. Exemplare der ersten Gruppe sind in der Regel neu, eher nur zum Anschauen gedacht, oftmals also reine Ausstellungsstücke, bei denen es gilt, den Wiederverkaufswert durch Schonung hoch zu halten.
Die zweiten, die in anderen Wohnungen vorkommen, wo irgendwelche Kinder irgendwann irgendwie zu alt dafür geworden sein sollen (redet man ihnen zumindest ein), sind übertragene Modelle, die heute zum Teil gar nicht mehr produziert werden. Sie eignen sich vortrefflich für Theos Crash-Tests.
Bei der Tante gibt es zum Beispiel die sogenannten »Autos vom Thomas«. – Dessen Fuhrpark hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Der Betrieb ist ziemlich heruntergekommen, die Autos haben zum Teil nur noch Schrottwert. Mit ihnen spielt Theo am liebsten »Autofriedhof«.
Das Spiel beginnt mit der feierlichen Entleerung der Kiste von möglichst hoch oben auf den Boden, lieber Holz als Teppich, lieber Stein als Holz. Dann schlüpft Theo in die Rolle eines außenstehenden Sachverständigen (über den Vorwurf der Verursachung des Schadens selbstverständlich erhaben), der das Schlachtfeld überblickt, ergriffen den Kopf schüttelt und auch gleich sein pauschales Expertengutachten abgibt: »Kaputt!«Manchmal, damit da keine falsche Hoffnung aufkommt, sagt er auch: »Alles kaputt!«
Nun braucht Theo dringend einen Partner, dem er einige Exemplare, die es besonders schlimm erwischt hat, nach und nach in die Hand drücken kann, und der ihm immer wieder aufs Neue bestätigt: kaputt, ebenfalls kaputt, erst recht kaputt, besonders kaputt. Theo, der Gutachter, hat damit seine Arbeit eindrucksvoll erledigt.
Jetzt kommt Theo, der Techniker. Und der gibt dem Spiel eine überraschende Wende. Er sieht sich die Dinger an – eines armseliger als das andere, türlos, fensterlos, unbereift, motorhaubenverlustig – und verkündet missionarisch: »Müss ma reparieren!« – Natürlich nicht er selbst, er ist ja nur der Chef, ein glücklicher Chef übrigens, denn die Auftragslage könnte gar
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