Theo
trockene Stellen hinweg, stur in ihrer Bahn.
Die dritte Gruppe bestand aus Theo. Er sah die jeweilige Pfütze vor sich, nahm Anlauf und sprang hinein. Dazu machte er lustvolle »Platsch«-Geräusche. – Er selbst brachte dabei nur »Platt« heraus, das unentbehrliche »Sch« besorgte die Pfütze, die sich nach Theos Landung fontänenhaft in alle Richtungen ergoss und zumeist an den Hosenbeinen seiner beiden bereits institutionalisierten Tierbesuchsbegleiter haften blieb. (Einer davon war ich.)
Da Theos Weg hiermit vorschnell zu seinem Ziel wurde, hatte sich der Zoo für ihn bereits gerechnet, noch ehe Tiere zu sehen waren. Vielleicht hätte man sich die Kosten für den Eintritt sparen können. Denn die Pfützen waren außerhalb des Tierparks dichter und tiefer. (Nein, man hätte sich die Kosten nicht sparen können. Denn Theo war noch keine drei Jahre alt und kam deshalb ohnehin gratis hinein. Und die Betreuer hätten wahrscheinlich sogar das Doppelte bezahlt, um Theo endlich von den Pfützen abzulenken.)
Unmittelbar nach dem Eintritt in den Garten änderten sich die Gefühlslagen. Theos Pädagogen wurden von plötzlichen Begeisterungsschüben erfasst, inhalierten gierig erste Duftkombinationen aus Flusspferd, Zebra und Bär – und verkündeten feierlich: »Theo, wir sind im Zoo. Jetzt geht es los! Jetzt werden wir ganz tolle Tiere sehen. Du wirst staunen.« – Theo erwiderte: »Genug«, drehte sich um und steuerte auf den Ausgang zu.
Nach diesem kleinen Missverständnis, welches Theoeinige Tränen kostete, die erst durch organisierte Pfützensprünge getrocknet werden konnten, durfte endlich mit der Besichtigung der prächtig sanierten Gehege in einem der mittlerweile schönsten Tierparks der Welt begonnen werden. Theo stellte immer wieder sehr interessierte Fragen. Hier die ergreifendsten Szenen in kurzen Auszügen.
Szene eins. Betreuer: »Schau, Theo!« Theo: »Wo?« Betreuer: »Da hinten ist ein Tiger.« Theo: »Wo?« Betreuer: »Schau, Theo, du musst ganz genau schauen. Da hinten schleicht er vorbei, der Tiger.« – Theo: »Wo?« Betreuer (aufgeregt): »Schau, da hinten, jetzt geht er da hinüber, jetzt kommt er direkt auf uns zu.« Pause. Betreuer (kleinlaut): »Schau, Theo, jetzt geht er wieder weg, schau, jetzt legt er sich nieder, jetzt rollt er sich ein, jetzt versteckt er sich, jetzt will er seine Ruhe haben, jetzt ist er schon ein bisschen müde.« Theo (reibt sich die Augen): »Genug.«
Szene zwei. Betreuer: »Schau, Theo, siehst du den Affen?« Theo: »Ja.« Betreuer: »Das ist ein Schimpanse.« Theo dreht sich zum Betreuer und mustert ihn mit ernstem Blick. Betreuer: »Ist der Schimpanse nicht lustig?« Theo sagt nichts. Betreuer: »Schau, wie der lustig spielt.« Theo sagt nichts. Betreuer (lacht): »Schau, Theo, der spielt mit seinen eigenen Zehen.« Theo sagt nichts. Betreuer (brüllt vor Lachen): »Schau, Theo, jetzt will er sich seine eigenen Zehen in den Mund stecken.« Theo: »Genug.«
Szene drei. Theo: »Was ist das?« Betreuer: »Das ist eineGiraffe.« Theo: »Was hat die da?« Betreuer: »Einen Hals.« Theo: »Was hat die da auf dem Hals?« Betreuer: »Ihren Kopf.« Theo: »Genug.«
Szene vier. Betreuer: »Und das ist ein Büffel!« Theo: »Genug.«
Szene fünf. Theo: »Genug.« (Es wären die Steinböcke gewesen.)
Szene sechs. Der Höhepunkt jedes Schönbrunner Tiergartenbesuchs. Die Fütterung der Seelöwen. Menschen aus aller Welt, Japaner aus allen Bussen und Kindergärtnerinnen mit den wildesten Horden aus den wildesten Horten strömen hierher, um ihren Kindern (und unter diesem Vorwand natürlich sich selbst) die artistischen Tänze und mutigen Sprünge der um Fische bettelnden Robben vor Augen zu führen. Theos Team hatte einen Platz ganz vorne erkämpft. Nur ein einziges Metallgeländer trennte sie vom Becken.
Betreuer (mit erhöhtem Blutdruck): »Schau, Theo, da kommt der Mann mit dem Eimer. Im Eimer sind die Fische, die werden jetzt an die Seelöwen verfüttert. Schau, jetzt wirft er die Fische ins Wasser. Schau, der Große springt schon nach. Schau, die Kleinen trauen sich noch nicht …«
Theo zeigt mit ersten Ansätzen freudiger Erregung in die Richtung der spektakulären Vorkommnisse und fragt: »Was ist das da?« Betreuer (irritiert): »Theo, das sind die Seelöwen, von denen ich dir gerade erzählt habe.« Theo: »Nein, nicht die Seelöwen. Was ist das da?« Betreuer (verunsichert): »Was meinst du, Theo?Meinst du den Mann, der die Fische verteilt?« Theo
Weitere Kostenlose Bücher