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Theo

Titel: Theo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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sie sich ganz gern bitten, die Herren und Frauen Lehrmeister des Lebens.
    Ein »Nein!« hieß für Theo, dass er sich offenbar noch nicht klar genug ausgedrückt hatte. Meist genügte es, den Ton zu verschärfen. Manchmal musste er erst jammern, raunzen, weinen, heulen, schreien. Manchmal griff gar erst eine optische Veränderung. Da musste er rot anlaufen, grün anlaufen, blau anlaufen. War es ihnenmit ihrem Verbot so ernst, dass sie ihn glatt ersticken hätten lassen vor Zorn, musste er die Pädagogen wechseln. Irgendwer würde sich schon finden, der ihm die Sache erlaubte. War er hoffnungslos von Verweigerern umringt, musste er sich auf die mündliche Erlaubnis einer nicht-anwesenden Respektsperson berufen. Zum Beispiel: »Der Opa hat aber g’sagt, dass ich … darf!« – Man möchte gar nicht meinen, wie wenig heutzutage das Wort einer abwesenden Person zählt.
    Führte also auch dieser Weg nicht zum Erfolg – und wir sind hier schon bei den unrühmlichen Ausnahmen in Theos Alltag der Verbote –, so blieb ihm nichts übrig, als sich den gewünschten Gegenstand oder die Durchführung der geplanten Tätigkeit heimtückisch zu erschleichen.
    Autofahren war eines der seltenen Dinge, wo sie beim Verbieten stets alle zusammenhielten. Sogar »Der Ben, der tut dir nix« bellte abweisend, wenn er gerade in der Nähe war. Also sah sich Theo eines Tages gezwungen, eigeninitiativ zu werden. Als Papa mit der Montage des Kindersitzes beschäftigt war, schlich er um den Wagen, zwängte sich durch den Spalt der angelehnten Tür auf den Beifahrersitz, kroch zum Fahrersitz hinüber, nahm das Lenkrad in die Hand und wartete, bis die Fahrt losging – so wie im Prater. (Das Problem mit dem zu weit entfernten Bremspedal stellte sich vorerst noch nicht. Es gab aber auch keine Pferde und Straßenbahnen, denen es auszuweichen galt.)
    »Theo, was machst du da?«, fragte die lästige Stimme, mit der ohnehin schon jede Sekunde zu rechnen war. »Auto fahren«, antwortete Theo, ein bisschen enttäuscht, dass er das noch erklären musste. »Wer hat dir denn das erlaubt?« Jetzt rückte ihm der Papa bereits unangenehm zu Leibe, und das Auto machte noch immer keine Anstalten loszufahren. »Der Papa«, antwortete Theo genervt. »Davon weiß er aber nichts, der Papa«, erwiderte der Papa. Theos kritischer Seitenblick könnte geheißen haben: Dann soll er den Wagen verlassen und einmal nachdenken, sonst geht da überhaupt nichts.
    Es kam anders, es kam die Großmutter. Sie beugte sich über die Motorhaube und winkte Theo durch die Windschutzscheibe lustig zu. – Es sah immer weniger danach aus, als würde die Fahrt jetzt endlich losgehen. »Was macht denn die Oma da eigentlich?«, fragte Theo den Papa mürrisch. Sie behielt sich die Antwort selbst vor und übertraf sogleich Theos schlimmste Befürchtungen. Sie öffnete die Fahrertür, hob Theo heraus, verstaute ihn auf dem Kindersitz und meinte: »Zum Fahren sind wir noch viel zu klein.« – Nicht nur wegen des provokanten Majestätsplurals eine arge Demütigung, von der sich Theo minutenlang nicht erholte.
    Im Frühjahr kam der Umschwung. Theo erhielt sein eigenes Auto. Zum Glück hatte man ihm das nicht schon vorher angekündigt. Sonst wäre er beim ersten Anblick in Selbstmitleidsstürme ausgebrochen. Denn unter einem eigenen Auto hatte er sich, Sie werdenes nicht glauben, tatsächlich ein Auto vorgestellt und nicht einen aufgemotzten gelben Plastik-Nachttopf auf Rädern.
    Aber Theo konnte sehr bescheiden sein, wenn ihm nichts anderes übrigblieb. Bevor sie die Oma bekam, behielt er die Schüssel doch lieber selbst. Und so schlecht war sie eigentlich gar nicht. Immerhin verfügte sie nur über einen einzigen Sitz. Das hieß: nie wieder unnötige Pädagogen an Bord. Und sie hatte eine herrlich schrille Hupe. Mit ihr konnten Pädagogen auch von der Rennstrecke ferngehalten werden.
    Außerdem zählte zu der sonst eher kargen Ausstattung ein geradezu phänomenales blaues Autotelefon, wahrscheinlich das größte der Welt. Es spannte sich über die gesamte Autobreite und tröstete über das Fehlen anderer Einrichtungen wie Bremsen, Windschutzscheiben und Dach hinweg.
    Theo nannte sein Fahrzeug Volvo, um konkurrenzfähig zu bleiben, und ließ sich von einem Fachmann der Familie nach eingehender Beratung ein Wunschkennzeichen auf den Namen »Theo-Volvo« basteln. Er hätte noch gern ein paar Zusatzerklärungen dabeigehabt, zum Beispiel »Die Nummer eins vom Bierhäuslberg«, »Überholen auf

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