Theo
Geräte. Würstel – treten nie allein auf, immer paarweise. Spaghetti Carbonara – Berge hoch drei.
Theos Problem: Er kann nicht zuschauen, wenn andere essen. Also mischt er mit. Also macht er sich bemerkbar. Also macht er: »Mmmm.« Es ist dies sein erster stimmkräftiger Durchbruch des Urvertrauens. Denn was mit »Mmmm« bezeichnet wird, ist von Theo so gut wie gegessen und schmeckt daher schon im Voraus exzellent. (Erwachsene neigen aus unerklärlichen Gründen dazu, »Mmmm« erst am Ende einer Mahlzeit von sich zu geben.)
Das Zeremoniell ist einfach: Theo erkennt die Umrisse von etwas Essbarem, fixiert es mit dem Blick, damit es nicht flüchten kann, lehnt sich gelassen zurück und hebt und senkt rhythmisch seine Mundwinkel (um schon einmal im Geiste vorzukosten). Höchste Zeit für ein erstes hingebungsvolles »Mmmm«. Dezentes Öffnen des Mundes. Augen leicht zukneifen, um den Genuss zu erhöhen. Schon liegt das Ding auf der Zunge.
Der Rest des Verspeisens ist Routine. Bei jedem weiteren »Mmmm« wiederholt sich der Vorgang. An starken Tagen bringt es Theo auf gut hundert »Mmmm«.
Die Gefahr des Missbrauchs ist gering. Kommt irrtümlich ein unerwünschter Bissen auf ihn zu, ist dieser mit einem kurzen »Wäää« mühelos abzuwenden. Bei großem Heißhunger, oder wenn die Alten wieder einmal auf der Leitung stehen, beschließt Theo spontan, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Aus traditionellen Gründen streckt er das eben Ergriffene dann einem der ausgebildeten Fütterer entgegen und macht genussvoll »Mmmm«. Dieser kleine Umweg garantiert einen sicheren Landeanflug des Bissens in den Mund.
Theo kann übrigens nicht nur essen. Er kann auch reden. Er spricht fließend: »Mama« (jede Frau). »Papa« (jeder Mann). »Dada« (jeder Gegenstand, sofern man ihn nicht essen kann, sonst hätte ihn Theo mit »Mmmm« bezeichnet). »Pupa« (Puppe, Stofftier). »Baba« (keine Bedeutung, steht für Theos spontane Lust, irgendwas zu sagen). »Hauhau« (auf die Frage: »Wie macht der Hund?«). »Tata« (auf die Frage: »Wie macht die Uhr?«).
Theos Eltern legen Wert auf die Feststellung, dass ihr Burli noch nie in seinem Leben »Auto« über die Lippen gebracht hat, obwohl ihm Motorengeräusche durchaus nachahmenswert erscheinen. (»Wie macht ein Auto?« – »Brrr.«)
Sein erstes Wort war »Bär« und galt – tatsächlich – seinem Stoffbären. Theos bisher größte verbale Leistungliegt in der Benennung der hauseigenen Pfeffermühle (»Fefamü«). Noch weiß er nicht, was dieses faszinierende Ding von sich gibt. Auf die Frage: »Wie macht die Pfeffermühle?« schwankt er zwischen »Hauhau« und »Tata«.
Theo kann übrigens nicht nur essen und reden. Er kann auch spielen. Dazu braucht er (unter anderem) Spielzeug – die Summe aller greifbaren, aber ungenießbaren Dinge, die sie einem nicht gleich wieder wegnehmen. Da wäre einmal der Holzwagen, eine Art Güterzug. Die Güter sind Ringe, die man auf das Dach stecken kann. Theos Problem: Er kriegt sie nicht mehr runter, denn da müsste er die Schwerkraft besiegen. Stecken alle Ringe auf dem Dach, scheint das Spiel beendet. Theo bleibt nichts übrig, als eine schreckliche Zugkatastrophe herbeizuführen, infolge derer die Ringe wieder frei herumrollen.
Derzeit sehr beliebt: ein Holzkasten mit drei Öffnungen, in die Kugeln, Drei- und Vierecke einzuwerfen sind. Die Hinterlist: Jede Form geht nur durch je eine Öffnung. Theos erbitterter Ehrgeiz besteht darin, alle Formen durch das Kugelloch zu bringen. Gelingt nur in 33,3 Prozent aller Fälle.
Theo ist kein Märtyrer. Bevor sein gesunder Zorn in Depression übergeht, modifiziert er das Spiel. Er vergrößert die Öffnung durch Abnehmen des Deckels und wirft alle Formen – durchaus erfolgreich – in den Kasten.
Sein Lieblingsspiel heißt »Geben und Nehmen«. Erspielt es, abgesehen von schlaf- oder essensbedingten Pausen, täglich durchgehend. Das Reizvolle daran ist, dass Erwachsene mitspielen müssen, ob sie wollen oder nicht.
Das Spiel wird mit »Da!« eingeleitet. Bei »Geben« hält Theo dem Partner einen Gegenstand seiner Wahl (Schuh, Gabel, Pfeffermühle) entgegen. Bei »Nehmen« fordert er die sofortige Rückgabe. Die Güter sind variabel, die Zahl der gegenseitigen Aushändigungen ist unbegrenzt. Theo »gibt und nimmt« bis zur vollkommenen Erschöpfung.
In diesem Zusammenhang fällt des Öfteren das Wort »danke«, bruchstückhaft – Theo sagt »ang«. Da für ihn das Schöne am Geben das
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