Theo
warum. (»Theo Fluortabletten aufschreiben!«, befiehlt er mir.)
Salat und Gemüse kommen ihm bestenfalls auf den Tisch, nur irrtümlich in den Mund, und wenn, dann schnell wieder heraus. Bei den Getränken setzt er die Baby-Tradition des Kakaokonsums fort. Im Kommen ist derzeit der Hollersaft, geil schmeckt Cola, zu »Bier« fällt ihm »Opa« ein. Und auf die Frage: »Theo, hast du Durst?« antwortet er gelegentlich: »Der Durscht bringt mi um!« (Es geht eben nichts über gut einstudierte Trinksprüche.)
Um noch kurz beim Thema zu bleiben, sagt er: »Mandarine!« Mama: »Später.« Theo: »Mandarine, Mandarine!« – Im Sinne von: jetzt oder nie. Mama: »Später!« – In ebendiesem Sinne. Theo (siegessicher): »Der Papa holt eine!«
Was passiert? – Der Papa steht auf und holt eine. Sein Prinzip: Man muss Kindern Vertrauen in die Kraft ihrer Worte geben. Theos Prinzip: Will man Dinge haben, dann kriegt man sie, wenn man so darüber spricht, als hätte man sie bereits.
Nächstes Thema: Schlaf. Eigentlich kein Thema. Theo steht auf, wenn er soll, und legt sich nieder, wenn er muss. Um halb sieben Uhr früh geht der Radiowecker los. Da Theo nicht ahnt, dass man ihn abdrehen kann, wacht er auf. Da er weder Frühstück machen noch arbeiten gehen muss, ist er gut aufgelegt.
Wenn Mama oder Papa vor dem Gitterbett auftauchen, ist der Tag gerettet. Wenn sie ihn gegen acht Uhr abends dort wieder abliefern, ist der Tag beendet.
Er verbringt die letzten Sekunden im Stehen, über den Rand des mit Bilderbüchern gefüllten Gitterbettes gelehnt, wie ein stolzer Seemann an der Reling eines aufbruchbereiten Dampfers. Mit verdächtigem Wohlwollen beobachtet er den Abgang des jeweiligen Verabschieders. Oft leitet er ihn mit den Worten »Mama (oder Papa) geht jetzt!« ein, was so viel wie »Entferne dich!« bedeutet (um es nicht noch derber zu formulieren).
Wahrscheinlich ist Theo derzeit der einzige Zweijährige Österreichs, der sich selbst das Licht abdreht, um sich vorsätzlich schlafen zu legen. Angst (vor der Finsternis) hat er nie. Er ist ja nicht allein. Er hat seine weiße Stoffwindel, eine psychologische Lebensstütze, die auch tagsüber immer in seiner Nähe sein muss.Schon beim leisesten Anflug von Unsicherheit verlangt er nach ihr. In der Nacht drückt er sie ganz fest an sich. Gemeinsam sind sie unbezwingbar.
Theo ist zwar manchmal aufrichtig verzweifelt (wenn er Worte fünfmal wiederholen muss, und sie noch immer keiner versteht), aber nie wirklich traurig. – Was kein Widerspruch dazu ist, dass er perfekt weinen kann. Tränen sind für ihn Perlen der Taktik. Sie stehen auf Abruf bereit, treten blitzartig und kerzengerade aus den Augen und trocknen in Bruchteilen von Sekunden, wenn sie überflüssig geworden sind.
Theo verträgt es nicht, wenn man »Nein!« sagt. Er verlangt ja die Dinge (Messer, Feuerzeug, Glas, Suppentopf …) nicht grundlos. Er will sie eben haben. Das erste »Nein!« steckt er meist noch mit ungläubigem Lächeln weg. (Kann doch nur ein Witz sein!) Beim zweiten »Nein!« wird er unruhig, beim dritten ungemütlich. Beim vierten versucht er es mit der Überrumpelungstaktik. Sagt Papa »Nein!«, antwortet Theo: »Das hat die Mama aber nicht gesagt!« und umgekehrt.
Nützt auch das nichts, helfen nur noch Tränen. Besonders effektiv sind sie in Kombination mit heftigem Zappeln und vorgetäuschter Atemnot. Wird sein Wunsch auch dann noch nicht erfüllt, bricht er die Katastrophenstimmung abrupt ab und wird wieder lustig. – Er muss mit seinen zerstörerischen Kräften haushalten, so viele hat er nicht.
Theo ist ein Glücksspieler. Wenn er spielt, ist er glücklich, also spielt er den ganzen Tag. Alibihalber mag erPuppen, da freut sich die Mama (dass sie keinen Macho großzieht). Tatsächlich mag er Autos, da freut sich der Papa (dass er mitspielen darf).
Recht attraktiv ist die Fädelraupe, am attraktivsten im ausgefädelten Zustand, in welchem sie sich bequem auf fünf Zimmer verteilen lässt. Das großartigste aller Spiele ist direkt aus dem Leben gegriffen und heißt »Billa einkaufen«. Mit »Billa« meint Theo jeden Supermarkt, egal, ob er sich gerade Merkur, Zielpunkt, Spar (…) oder sonst wie nennt. Billa hat bei ihm quasi das Vorkaufsrecht, weil sich ein Kaufhaus der Kette gleich ums Eck befindet. Außerdem lässt sich der Name vortrefflich schön aussprechen. An dieser Stelle muss auf Theos »L« hingewiesen werden – sein Lieblingsbuchstabe, bei dem er sich gern länger
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