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Theo

Titel: Theo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Derzeit bringt er es auf rund vierzehn Bettstunden, drei davon konsumiert er tagsüber. Die Nachtruhe hält er hoch, seit Monaten schläft er ohne Unterbrechung (zuletzt sehr konstant von neunzehn Uhr bis sechs Uhr dreißig).
    Beim Schlafengehen dürfen die Eltern auf Showeinlagen verzichten. Theo braucht man keine Gutenachtgeschichten zu erzählen. Man muss auch nicht so tun, als wolle man die Nacht an seinem Bett verbringen. Theo lässt sich hellwach in sein Gitterbett stellen. Solange er etwas erkennt, wird er es nehmen und geben. Dreht jemand das Licht ab – dann ist das Programm beendet. Und es zählen nur noch zwei Dinge. Ein Daumenim Mund. Und eine Windel in der Faust. (Sie ist seine engste nächtliche Vertraute. Ohne sie kann er beim besten Willen nicht einschlafen.)
    Plärren im Finstern überlässt er anderen Babys. Er lässt sich widerstandslos hinlegen, zudecken und abküssen. Dann sind die Erwachsenen entlassen. Und Theo ist endlich einmal mit sich allein.

Theo weiß, wovon er redet
     
    Theo hört sich gerne reden. Da spürt er sich. Da weiß er, wie sehr es ihn gibt. Und darüber freut er sich.
    Unter anderem freut er sich für uns. Denn er wird das Gefühl nicht los, ein Supertyp zu sein. Publikumsmagnet, Showmaster, Entertainer. Gesangsvirtuose, Essensverteiler, Autoverleiher. Immer im Zentrum des Geschehens, stets umringt von fröhlichen Gesichtern. Und sollten sich die Mienen gelegentlich verdüstern, nimmt er’s weder persönlich noch tragisch. Der Mitmensch ist eben ein launenhaftes Wesen.
    Theo ist ausbildungsmäßig flott unterwegs. Innerhalb eines Jahres hat er sein Lebensalter verdoppelt und seinen Wortschatz vervielfacht. Mittlerweile spricht er fließend, wenn auch nicht immer deutsch. Ein Zweijähriger sollte seine ersten Drei-Wort-Sätze bilden können. Unter Sieben-Wort-Sätzen macht es Theo selten, je nach Dringlichkeit können es bis zu Zwanzig-Wort-Sätze werden. Zum Beispiel: »Theo will Affelsaft, Affelsaft, Affelsaft, Affelsaft …« Bis er ihn kriegt.
    Sinn seiner unermüdlichen Alltagsplauderei ist es, die Umwelt einzubinden. Nichts begeistert ihn derzeit mehr (nichts außer »Billa einkaufen«, aber davon später) als das angeregte Gruppengespräch, der offene verbale Schlagabtausch.
    Sagt Theo »Bib«, erwartet er sich von uns »Bab«, eine Pointe mit beträchtlichem Unterhaltungswert für ihn.Kommt »Bob«, ist er hellauf begeistert. So viel Originalität hätte er Erwachsenen gar nicht zugetraut. Bei »Bub« lacht er verschämt, als wäre das bereits ein Witz an der Grenze des guten Geschmacks.
    Mit einem zusammenfassenden »Bib, Bab, Beb, Bob, Bub« gelang mir bei Theo der Durchbruch. – Er bog sich vor Lachen. Nun hält er mich für einen der lustigsten Menschen der Welt. Hoffentlich kann ich das Niveau halten.
    Für mich ist es wichtig, bei Theo hoch im Kurs zu bleiben. Denn dieses dritte ist mit Sicherheit das letzte Theo-Porträt ohne seine persönliche Einwilligung. Er versteht nämlich langsam, was da läuft. Und er ahnt, dass sich seine Storys, in welcher Form auch immer, ganz gut verkaufen. Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem er das erste Mal das hässliche Wort »Honorar« über die Lippen bringen wird.
    Diesmal ist er noch zum Selbstkostenpreis hochgradig kooperativ. Einen Unsicherheitsfaktor sieht er lediglich in der Tatsache, dass die Bedeutung seiner Leistungen unterschätzt werden könnte. Deshalb bekräftigt er jede lobende Erwähnung seiner Person mit stürmischem Nicken und wartet ungeduldig auf meine eindeutigen Gesten des erstaunten Entzückens.
    Dann beugt er sich über meinen Schoß, auf welchem das magische gelbe Heft liegt, deutet auf den Bleistift in meiner Hand und fordert: »Theo aufschreiben!« Erst danach ist er überzeugt, dass ich meiner Sorgfaltspflicht ausreichend nachgekommen bin.
    Beginnen wir Theos Bestandsaufnahme mit einem seiner Lieblingsthemen: Essen. Theo isst gern und viel. Er kann es sich leisten. Erstens ist er bereits in der Lage, den Kühlschrank zu öffnen. Zweitens verfehlt er nur noch selten seinen Mund. Drittens wiegt er schwache 12,40 Kilo (Größe 87 Zentimeter, Schuhgröße 22, falls ihm jemand Schuhe kaufen will).
    Seine Lieblingsspeisen: Kalbsleberstreichwurstbrot, Mandarinen und gelbe Fruchtzwerge. Auch nicht schlecht: ungarische Salami, Schnitzel mit Pommes (Pommes mit Ketchup, Ketchup mit Mayonnaise), Hipp und Kuchen von der Oma. Für den kleinen Hunger: Fluortabletten, nach denen ist er süchtig, keiner weiß,

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