Theo
Bänken und die Armut ihrer Tätigkeiten. Zu solchen Leuten hat er blindes Vertrauen, auf sie steuert er geradewegs zu.
»Was macht der Mann da?«, fragte er unlängst seinen Bahnhofsbegleiter. »Psssst, Theo!« – Theo (lauter): »Was macht der Mann da?« – »Der trinkt. Komm, wir gehen!« – Theo (stellt sich daneben hin): »Was trinkt der Mann da?« – »Ich weiß es nicht. Komm, wir gehen.« – Theo (lauter): »Was trinkt der Mann da?« – »Inländer-Rum! Komm, wir gehen.«
Theo: »Warum trinkt der Mann Inländer-Rum?« – »Weil er Durst hat. Komm, wir gehen.« – Theo (schnuppert): »Nach was riecht der Mann?« – »Nach Inländer-Rum. Komm, wir gehen.«
Zu spät. Der Mann hat Theo bemerkt und winkt ihn zu sich. (Bildete sich Theo zumindest ein.) »Hast du Durst?«, fragt er, sozusagen an der Quelle. Der Mann lacht. »Wo sind deine Zähne?«, will Theo bei der Gelegenheit wissen. Der Mann verstärkt sein Gelächter. Der Begleiter wird ungemütlich: »Theo, komm, wir gehen, und zwar sofort!« – »Deine Hose ist schmutzig«, fährt Theo fort. Hat voll eingeschlagen, der Mann windet sich vor Lachen. Der Begleiter wird immer unfreundlicher und zerrt Theo am Arm. »Müss ma Hose putzen!«, kann Theo noch anbringen. Dann wird er gewaltsam abgeschleppt.
Die echten Eisenbahnen interessieren Theo nur halb so sehr. Sagt sein Begleiter: »Schau Theo, da kommt ein Zug«, erwidert Theo gemeinhin »Genug!« und flüchtet in die Vorhalle. Ankommende Züge werden mit der Zeit einfach zu groß und zu laut und zeigen keine Anstalten, sich rechtzeitig einzubremsen.
Abfahrende Züge mag Theo lieber. Sie wecken in ihm Triumphgefühle, als hätte er selbst sie in die Flucht geschlagen. Um den Sieg auszukosten, fragt er: »Was macht der Zug da?« – »Der fährt ab«, heißt es dann zumeist. »Müss ma winken«, meint Theo abschätzig.
Analog zu den Zügen sind Theo abreisende Fahrgäste um vieles sympathischer als ankommende, die breitgefächert in großen Gruppen hastig auf ihn zuschreiten. Viel mehr schätzt Theo die stille Melancholie von Abschiedsszenen. »Was macht die Frau da?«, fragte er jüngst seinen pädagogischen Bahnhofsbegleiter. »Die weint.« – »Warum?« – »Weil sie traurig ist.« – »Warum ist sie traurig?« – »Weil ihr Freund fortfährt.« – »Warum fährt ihr Freund fort?« – »Theo, das weiß ich nicht.« (Wenn Theo etwas nicht verträgt, dann unbefriedigende Antworten.) »Warum fährt ihr Freund fort?« – »Theo, glaub mir, ich weiß es wirklich nicht.« – »Warum fährt ihr Freund fort?« – »Okay, Theo, er fährt aufs Land, er besucht dort seine Mutter.« (Pause, Theo grübelt.)
»Warum fährt die Frau nicht mit?« – »Theo, ich weiß es nicht, ich kenne diese Leute nicht!« – »Warum fährt die Frau nicht mit?« – »Theo, büüütte!« – »Warumfährt die Frau nicht mit?« – »Sie kann nicht, sie muss ihre Goldfische füttern.« (Er hat es nicht anders gewollt.)
»Wenn beide fortfahren, muss keiner weinen.« – »Richtig, Theo.« – »Oder beide bleiben da.« – »Richtig, Theo.« – »Oder die Frau fährt weg, und der Mann bleibt da.« – »Richtig, Theo.« – »Dann weint aber der Mann.« – »Möglicherweise, Theo.« – »Warum eigentlich?« (Gestatten Sie, dass wir uns an dieser Stelle ausblenden und den Bahnhof verlassen.)
Wie Theo seine freien Tage sonst noch verbringt? Mit »Würfeln«, »Memory« und »Schwarzer Peter« bei der Uroma. (Sie darf anfangen, er muss gewinnen.) Ferner beliebt: »Lustig essen« mit Opa. Theos Mund ist die Garage, Theos Magen der Parkplatz. Das Wurstbrot dient als Personenkraftfahrzeug und fährt langsam ein. Bei diesem Vorgang muss Opa (am Steuer) lautstark brummen. Hat Theo keine Lust auf Wurstbrot, brummt der Opa bis zu einer Stunde.
Im Unterhaltungssektor ist Theo rege tätig. Zum Beispiel kann er stündlich mit Vorführungen des im Türkei-Urlaub im Spätsommer trainierten Hotel-Tanzes von »Paradise-Sea-Beach« in Side aufwarten. Der Tanz lebt davon, dass Theo etwas vormacht, und alle machen es nach. (Versuchen Sie das einmal den Leuten an der Kasse bei Billa klarzumachen.)
Daheim singt er gern. So gern, dass er es nicht mehr für sich (und seine Umgebung) behalten konnte. Ende November lud man ihn endlich zu Probeaufnahmenfürs Radio ins Ö3-Studio ein. Dort gab er ein Lied von Wolfgang Ambros in seiner wochenlang minutiös bearbeiteten Theo-Fassung: »Am Freidog auf’d Nocht montier i die Schi auf mei
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