Theo
erzählt: »Da wollt’ ich zuerst gar nicht Rad fahren. Und dann bin ich Rad g’fahren. Und dann hab ich’s auf einmal können. Und dann hab ich g’sagt, ich geh’ jetzt Rad fahren. Und dann bin ich Rad g’fahren. Aber zuerst, da wollt’ ich gar nicht Rad fahren …« Danke, Theo!
Schließlich wurden die Großeltern von den Eltern abgelöst, und man fuhr weiter in den Süden. In Ancona erwischten sie ein fürchterliches Quartier. Niemand konnte schlafen, niemand außer Theo. Er hat es gern eng und schwül, und bezüglich seines friedvollen Röchelns im Tiefschlaf erschüttern ihn höchstens die Reaktionen der Angehörigen. Am nächsten Tag beschloss man zu übersiedeln. Theo war dagegen. Er sagte: »Was man sich aussucht, dort muss man auch bleiben.« Aber diesmal setzte er sich (überraschend) nicht durch.
Neu in Theos Biografie ist der Kindergarten. Seit er dort ist, hört man von ihm Altersweisheiten wie: »Zu Fuß gehen ist gesund.« Oder: »McDonald’s ist für die Leute, die nichts zu Hause haben.« Oder (schon ein bisschen systemkritisch): »Ich lerne erst, wenn ich erwachsen bin.« Oder (philosophisch): »Und dann hab’ ich noch. Und dann hab’ ich noch. Das frag’ ich mich. Was hab’ ich noch?« Oder (pragmatisch): »Der Jüngste beginnt.« (Gilt nicht nur für Spiele, sondern auch für Mehlspeisen.) Zudem hat er sich angewöhnt, in stürmischem Gelächter über sein sprachliches Geschick fünf Sachen gleichzeitig zu sagen. Für den Fall, dass er seine Umgebung damit akustisch oder intellektuell überfordert, rügt er den jeweiligen Gesprächspartner: »Hast du keine Ohren?« Denn wenn er was nicht ausstehen kann, dann ist es, nicht verstanden zu werden.
Theo geht übrigens gern in den Kindergarten, sagen seine Eltern. »Und, Theo, stimmt das?« (Einen Versuch ist es wert, jetzt, wo alle so nett beisammensitzen.) »Gehst du gern in den Kindergarten?« – Theo schaut ernst und überlegt. Alles deutet auf ein Wiederaufleben seiner Phase hin. Da plötzlich sagt er: »Aufschreiben!« – Und es folgt ein zehnminütiges, konzentriert vorgetragenes Diktat. Hier die Höhepunkte:
»Im Kindergarten schmeckt mir am besten Kartoffeln und Spinat. Die Tante Heidi ist meine Lieblingstante. Ich bin der Freund vom Philipp.« (Musste auf Theos Anweisung durchgestrichen werden. Korrigierte Fassung:) »Ich bin dem Philipp sein Freund. Ich bin auchdem Raphael sein Freund. Ich bin auch der Sabrina sein Freund. Ich bin auch …« (Theo hat viele Freunde.)
Das Diktat geht weiter: »Gestern hat eine Frau mit mir einen Sehtest gemacht, und die Frau hat immer Lukas zu mir gesagt. Ich heiß’ aber nicht Lukas. Ich heiß’ Theo!« Zwischenruf: »Du heißt mit dem zweiten Vornamen Lukas.« – »Aber nicht mit dem Vornamen!«, sagt Theo und bittet zurück zur Sache: »Aufschreiben! – Ich bin vom Christian nicht der Freund. Der Christian ist schlimm. Immer, wenn ich was zu ihm sag’, dann haut er mich gleich.« – »Ehrlich, Theo? Das weiß ich ja noch gar nicht«, wirft seine Mutter ein. »Und was tust du dann?« – »Ich sag’ nichts mehr zu ihm«, erwidert Theo und grinst verwegen.
Sie werden bemerkt haben: Theos Zunge hat sich mittlerweile gelöst, er ist auf den Geschmack gekommen. Er plaudert aus dem Leben. Er will seinen Fans nichts schuldig bleiben. Er weiß plötzlich wieder, was es heißt, populär zu sein. Er lässt seinen leibeigenen Schreiber nicht im Stich. Wir ziehen an einem Strang. Wir schreiten gemeinsam zum Höhepunkt des Porträts, zum unerlässlichen Reportageteil. – Das Puppentheater Stöberkiste gibt: die Bremer Stadtmusikanten. Action total. Abenteuer pur. Exotik durch und durch. Und Theo im Brennpunkt des Geschehens. Oder zumindest knapp dahinter. (In den ersten drei Reihen halten sich zu viele Kinder auf. Er sitzt lieber abseits, bei den Erwachsenen. Die wirken entspannter.)
Die musikalisch untermauerte Aufführung mit Stabmarionettenist, wie erwartet, grenzgenial. Leider wird Theo im entscheidenden Moment von einem schweren Schub seiner Phase erwischt. Gehen wir die Handlungsfäden der Reihe nach durch: Ein Esel zieht nach Bremen. – Theo schiebt die Unterlippe über die Oberlippe. Der Esel lernt einen Hund kennen, beide ziehen nach Bremen. – Theo reibt mit dem Mittelhandknochen des rechten Zeigefingers sein rechtes Auge.
Esel und Hund lernen eine Katze kennen, alle drei ziehen nach Bremen. »Gefällt’s dir, Theo?«, fragt der zu diesem Zeitpunkt bereits von sentimentalen
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