Theo
Reizthema, Theos Miene verfinstert sich. Ich frage: »Wie viel kriegst du?« Er zögert. »Das ist ein Eingriff in mein Privatleben«, sagt er. Ich: »Komm schon.« Er: »Vier Euro pro Woche.« Ich lüge und sage: »Ganz schön viel!« Theo relativiert: »Ich muss es immer einfordern, sonst krieg ich’s nie. Und der Papa hat überhaupt nie ein Geld dabei, der will immer in Raten zahlen.« – »Geld ist aber auch nicht alles«, tröste ich.
URLAUB. Eine Woche Südtirol, eine Woche Segeln bei Krk, zwei Wochen Breitenbrunn, eine Woche Fußballtrainingslager Lindabrunn. (Wenn das der Trainer liest, weiß er, dass sein Training für Libero Theo unter »Urlaub« fällt.)
VOGELGRIPPE. »So arg ist das nicht«, glaubt Theo. Aber bei Krankheiten kennt er sich kaum aus, er ist praktisch immer gesund. »Weil du so viel an der frischen Luft bist?«, frage ich, als wäre ich sein Urgroßvater. »Nein, weil ich kein Obst und kein Gemüse esse«, erwidert er. »Alle sagen, das ist gesund, stimmt aber gar nicht.«
WIRBELSTURM. »Rita« kennt er, »Katrina« regt ihn heute noch auf. »In New Orleans haben Polizisten auf Plünderer geschossen«, berichtet er aufgeregt. »Warum?«, fragt er sich. »Wäre doch eh alles verfault.« Ich nicke.
X-MAS. Da lässt er sich lieber überraschen.
YPSILON. »Wie wäre es mit ›Yes‹ gewesen?«, fragt Theo spöttisch. Ich (müde): »Okay, Yes, was fällt dir dazu ein?« – »Nichts«, erwidert er.
ZUKUNFT. »Zukunft?«, fragt er und rümpft die Nase. »Ja, Zukunft!«, sage ich kompromisslos. »Zukunft hat Zeit«, meint Theo. »Machen wir’s nächstes Jahr!«
Er bewegt sich nie genug
Theo ist zwölf –
und lehnt Gespräche über Mädchen ab
Für Theo war es wieder einmal ein gelungenes Jahr. Mit den großen drei »Auf« der Alltagswidrigkeiten – Aufstehen, Aufräumen, Aufgaben machen – kommt er gut zurecht. Die Schule nervt ihn vergleichsweise wenig. Hin und wieder verpatzt er eine Mathe-Schularbeit. Da steht dann unten »Gut« statt »Sehr gut«, wie man es von Theo eigentlich gewohnt ist. Er selbst hat sich jedenfalls so sehr daran gewöhnt, dass ihn so ein karges »Gut« kurzzeitig in Weltuntergangsstimmung versetzen kann. Ach, es ist schon ein Phänomen mit diesen Vorzugsschülern. Die ahnen gar nicht, wie befriedigend »Genügend« sein kann, wie viel besser als »Sehr gut« man sich fühlt, wenn eine Arbeit einmal völlig überraschend positiv bewertet wurde.
Um die üblen Dinge rasch abzuhaken – ein paar Worte zu Theos Gesundheit. Wenn er, wie glücklicherweise fast immer, gesund ist, ist er gesünder als die meisten seiner Mitbürger. Wenn er krank ist, ist er so gut wie tot. Leider bemerkt das keiner. Erst vor ein paar Tagen hat der vermutlich brutalste Grippevirenstamm alle Mitglieder versammelt und einstimmig beschlossen, Theo heimzusuchen. Das ergab: Kopfweh, Halsweh, Fieber. Wie reagierten die Eltern? Sie gaben ihm ein mickriges Pulver, verordneten ihm Bettruhe und sagten,so schlimm sei es nicht, er werde durchkommen. Damit ließ er sich nicht abspeisen, er kämpfte um das Recht des Patienten auf medizinische Grundversorgung. »Ich will zu einem Arzt!«, wimmerte er. »Theo, ich bin Ärztin!«, versicherte die Mutter. »Zu einem anständigen Arzt!«, bettelte Theo, »einem, der mich ernst nimmt, wenn ich krank bin!«
Schlecht behandelt wird Theo mitunter auch beim Spielen. »Zug um Zug« war immerhin zum Spiel des Jahres gewählt worden. Es kann vom Erfinder nicht geplant gewesen sein, dass sich da Spieldilettanten wie Onkel Michi durchsetzen und Menschen mit Spürsinn, Überblick und strategischen Fähigkeiten (wie Theo) weniger Punkte zusammenkriegen. Theo ist wirklich kein schlechter Verlierer, aber wenn ein Brettspiel nicht begreift und sich nicht danach richtet, dass Theo es einfach besser können muss als unkonzentrierte Erwachsene, die sich dazu auch noch den Kopf mit alkoholischen Getränken eintrüben, dann bedarf es schon einmal einer (alle Spielfiguren) wegwischenden Handbewegung quer über das Brett. Dann muss eben neu angefangen werden, bis der wahre Sieger ermittelt ist: Theo.
Um die Unannehmlichkeiten 2007 abzuschließen: Mädchen. Ja, Theo ist in die teuflische Und-was-machen-die-Mädchen-Phase geraten. (Die etwa bis ins Alter von 25 andauern wird.) Es geht dabei keineswegs darum, was die Mädchen wirklich machen, das ist Theo nämlich so was von dermaßen egal, wie er es garnicht formulieren könnte, würde er Zeit dafür opfern. Jeder
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