Theodor: Im Zeichen des Bösen (German Edition)
sein schien. Wie alle anderen Türen war auch sie von kunstvollen Verzierungen geschmückt und ließ kaum noch erkennen, dass es sich hier um einen Ausgang handelte. Ein ovaler, in die Länge gezogener Gegenstand bildete den Griff. Und genau dieser ovale längliche Gegenstand veranlasste Chrissie, abrupt inne zu halten.
In ihrem Inneren sah sie sich plötzlich als Kind, wie sie auf diese Tür zulief und diesen Griff fixierte, der das Aussehen eines Auges hatte und sie anschaute, als wolle es fragen: Wo gehst du hin?
Die dumpfen Schritte Harrys holten sie aus der Versunkenheit zurück und sie versuchte, diesen Griff zu ignorieren, der jedoch ihren Blick wie ein Magnet an sich zog; bis Harry sich an ihr vorbeischob und seine Hand darauf legte.
Lautlos ließ das schwere Eichenelement sich öffnen und ein lauer Wind wehte ihr entgegen, als sie seiner deutlichen Kopfbewegung folgte und das Freie betrat.
Ihre Augen mussten sich nicht lange an die Dunkelheit gewöhnen und Chrissie ließ keinen Augenblick aus, um sich die Gegend genauestens einzuprägen.
Zwei niedrige Steinstufen führten auf einen an der Hauswand entlang laufenden Weg, der von Sträuchern und Büschen so dicht eingewachsen war, dass er als solcher kaum noch erkannt werden konnte. Hinter den Büschen sah sie Umrisse von mächtigen Bäumen, die geisterhaft ihre Äste hin und her bewegten. Das Rauschen der Blätter hörte sich an, wie das stete Fließen eines Flusses in weiter Ferne.
„Weiter“, drängte Harrys Stimme sie vorwärts und sie spürte, dass er dicht hinter ihr war. Die hereinhängenden Äste außer Acht lassend schritt sie den steinernen Weg entlang, der sich tagsüber von der Sonne aufgewärmt hatte und nun eine wohltuende Wärme abstrahlte. Harry hielt sich so dicht hinter ihr, dass ein Fluchtversuch die reinste Dummheit gewesen wäre.
Der Weg führte direkt auf den Hintereingang des Pfarrhauses zu. Als sie diesen erreicht hatten, wandte Chrissie ihren Kopf wie zufällig ein wenig nach links. Ihr Blick fiel direkt auf den großen Kastanienbaum, den sie aus dem Fenster ihres Gefängnisses schon gesehen hatte.
Auf einmal nahm sie eine Bewegung wahr. Eine Gestalt war für den Bruchteil einer Sekunde hinter dem Stamm hervorgetreten. Sie musste sich beherrschen, um die Entdeckung nicht zu verraten. In ihr löste sich eine schwere Last. Obwohl die Gestalt nur für einen winzigen Moment neben dem Baumstamm zu sehen war – Chrissie war sich sicher, dass es sich nicht um eine trügerische Sinnestäuschung handelte.
„Öffne die Tür“, forderte Harry sie leise auf. Seine Stimme klang gefährlich, fast lauernd. Chrissie kam der Anweisung nach, sie musste sich jedoch zwingen, nicht mehr in die Richtung des Baumes zu sehen.
„Vorwärts“, trieb er sie voran in das Hinterzimmer des Pfarrhauses, verriegelte hinter sich die Tür und drängte sie darauf, zur Kellertür zu gehen.
„Vorsicht“, gebot er kurz, als sie ihren Fuß auf die erste Stufe setzte. Sie fühlte sich kalt an. Eiskalt.
Links und rechts tastete sie sich an den Wänden hinab. Da der Lichtschalter des Kellerabganges außerhalb angebracht war, zog Harry die Tür so weit hinter sich zu, dass nur ein schmaler Lichtstrahl in die Diele gelangen konnte. Unmittelbar darauf, als er auf den Schalter drückte, zog er seine Hand durch den Spalt zurück und schloss dann die Tür. Dieser schmale Lichtstreifen reichte, um von draußen durch ein Fenster beobachtet werden zu können.
Die Tür direkt nach der letzten Stufe stand weit geöffnet. Das spärliche Licht der Treppe genügte jedoch nicht, um Genaueres erkennen zu lassen. Harry verzichtete auch darauf, den Vorraum zu beleuchten, da nur wenige Schritte entfernt die tote March auf der Erde lag.
Die Tür zum Weinkeller stand ebenfalls geöffnet. Mit ausgestrecktem Arm deutete er Chrissie an, in diesen einzutreten. Im hinteren Bereich des Weinkellers fiel ihr ein flackerndes Licht ins Auge, das die Schatten der Weinfässer tanzen ließ. Als wäre es selbstverständlich, hielt sie auf dieses Licht zu. Ein leises Geräusch hinter ihr verriet ihr, dass Harry die Tür geschlossen hatte. Kurz drehte sie sich nach ihm um. Sie hörte nur das Rascheln seiner Kleidung, das durch die Schritte verursacht wurde. Ihre Gedanken kreisten um die Person, die sie beobachtet hatte. Sie spürte schon die Hilfe, die sie sich so sehnlich herbeiwünschte. Nein, niemals würde sie sich diesem Menschen freiwillig hingeben. NIEMALS! Lieber sterbe
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