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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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beim Überfliegen entdeckt hatte, lag ungefähr einen Kilometer zurück. Näher hatte er nicht landen wollen, um weder die Mers noch Menschen aufzuschrecken. Er nahm seinen Beutel mit der Ausrüstung, schulterte das wuchtige Stunnergewehr und stapfte in Richtung Norden.
    Seit drei Monaten war er auf Tiamat, doch dies war sein erster Ausflug außerhalb der Stadt. Sobald die Technik es erlaubte, hatte die Quelle ihn hierhergeschickt, wo er das Technovirus, welches das Wasser des Lebens genannt wurde, analysieren und reproduzieren sollte. TerFauw, der Newhaveneser, der ihn als Leibeigenen gebrandmarkt hatte, war mitgekommen; er fungierte als sein Aufseher, teilte ihm die Wünsche der Quelle mit, und belohnte ihn jeden Abend mit dem Wasser des Todes, weil er wieder einen Tag überlebt hatte. Niburu und Ananke waren immer noch bei ihm; man hatte ihnen erlaubt, zusammenzubleiben, warum, wußte er nicht genau.
    Es hatte ihn beunruhigt, aber eigentlich nicht überrascht, daß Gundhalinu bereits vor ihm auf Tiamat eingetroffen war. Wenn er es recht bedachte, so war eine Wiederbegegnung mit ihm unvermeidlich gewesen. Doch nun war Gundhalinu Chef der Hegemonischen Regierung, und Reede Kullervo ein Sklave. Ihn wurmte die Ironie des Schicksals, während er den Strand entlangstapfte und darüber nachsann. Obwohl er wie ein freier Mann durch Karbunkels Straßen lief, erinnerte ihn das ewig wache Auge in seiner Hand ständig an den Tag, an dem er die Selbstbestimmung über sein eigenes Leben verloren hatte.
    Es wunderte ihn nicht, daß Gundhalinu auch das Wasser des Lebens erforschte, wobei er Resultate und Daten benutzte, die ihm Tiamats Königin verschaffte; angeblich setzte sie sich fanatisch für den Schutz der Mers ein. Selbst zu Forschungszwecken durften sie nicht mehr getötet werden, und die Hegemonie mußte ganz versessen darauf sein, das Wasser des Lebens auf anderem Wege zu bekommen. Vermutlich suchten sie nach einer Möglichkeit, es synthetisch herzustellen – so wie er ... Und Gundhalinu wußte mehr über Smart-matter, als jeder andere lebende Mensch, außer ihm selbst. Er hatte Gundhalinu viel beigebracht, und ihn dann am Leben gelassen, damit er sein Wissen nutzen konnte ... Das war der größte Fehler gewesen, den er je begangen hatte.
    Aber Gundhalinu war nicht nur der Forschung wegen auf Tiamat. Er versuchte, eine Welt zu regieren. Die Umstände hatten ihn gezwungen, Verantwortung zu delegieren – mittlerweile war er nicht mehr der Leiter des Forschungsprojekts. Reede hatte sich in den Besitz der Daten gebracht, die Gundhalinu wieder einmal arglos für ihn zusammengetragen hatte; dieses Mal wirkte er jedoch im Verborgenen und ließ sich das Material, das er brauchte, durch heimliche Helfer der Bruderschaft besorgen.
    Auf direktem Weg konnte er sich Gundhalinu nicht nähern ... Der neue Oberste Richter der Hegemonie durfte nicht einmal ahnen, daß er sich in der Nähe dieser Welt aufhielt. Trotzdem hatte ein perverser Zug an ihm ihn dazu angestachelt, Gundhalinus Aufmerksamkeit zu erregen; er hatte ihn beobachtet, sich in sein Blickfeld gedrängt, Spuren ausgelegt. Dadurch zettelte er ein tückisches Kräftemessen zwischen der Goldenen Mitte und der Bruderschaft an – ein weiterer Beweis für ihn selbst und andere, die davon erführen, daß er vollkommen verrückt sein mußte. Im Gehen tastete er unter seiner Bekleidung nach der Kette, die er immer noch um den Hals trug; er befingerte den Anhänger und einen Ring, die warm und geschützt an seinem Herzen lagen.
    Zu Beginn seiner Arbeit hatte er die Daten benutzt, die er den Forschern der Hegemonie gestohlen hatte. Doch viele Angaben waren entweder zu unpräzise oder vollkommen bedeutungslos. Es gab endlose linguistische Analysen und theoretische Studien über die Gesänge der Mers, die Informationen waren mit legendenhaften Einzelheiten durchsetzt – alles Dinge, die er einfach als nutzlos hätte abtun sollen. Dennoch geriet er immer in eine Art Verzückung, wenn er den Liedern der Mers lauschte, die angefüllt waren mit Freude, Melancholie und bitterem Kummer; die Gesänge verliefen nach einer Art liturgischem Muster – ein auf Frage und Antwort beruhender Wechselgesang, in dessen Geheimnis er jedoch nicht eindringen konnte.
    Er hatte so lange über den Aufzeichnungen gebrütet, bis er alles wußte, was es auf dieser Welt über die Mers zu wissen gab; bis sie ihn mit ihren Liedern in seinen Träumen heimsuchten ... Trotzdem brüllte ihm ein Teil seines

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