Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
gut möglich.
Die glatte Tür vor ihm glitt auf, und er schaute in ein Konferenzzimmer. Es war nicht der Raum, in dem er früher schon gewesen war, und in dem mehr als zwei Dutzend Mitglieder der Bruderschaft Platz fanden. Dieses Zimmer war kleiner, ansonsten jedoch fast identisch, mit Wänden, deren Farben langsam, auf eine beinahe halluzinogene Weise changierten. Nervös wandte er den Blick von dem Farbenspiel ab und konzentrierte Sich auf den Mann, der allein an einem Tisch saß.
»Guten Tag, Reede Kullervo«, grüßte Kirard Set.
Kullervo lachte einmal kurz auf, als hätte Kirard Set etwas unglaublich Dummes gesagt. Angewidert schaute er weg und trommelte mit den Fingerknöcheln einen schnellen, penetranten Rhythmus auf die Tischplatte. »Ihr kommt spät«, sagte er, eine Wand anstarrend.
Funke fragte sich, ob er ihn und Kirard Set meinte. Sie kamen nicht zu spät, obwohl er mit dieser Begegnung nicht gerechnet hatte. Seine Abneigung gegen Kullervo wuchs. Der Mann war ihm von Anfang an unsympathisch gewesen; Kullervo gab sich mal mürrisch, mal feindselig, und alle behandelte er von oben herab. Außerdem gewann Funke immer mehr den Eindruck, daß er nicht nur launisch, sondern tatsächlich verrückt war. Funke hatte ihn lediglich für einen Leibeigenen der Quelle gehalten, und er staunte, daß man ihn in diesen intimen Kreis überhaupt einließ. »Wo bleiben die anderen?« fragte er.
»Die Pläne wurden geändert«, sagte eine Stimme, die aus den Wänden zu kommen schien.
Die Quelle.
Der Klang jagte ihm eine Gänsehaut über den Rücken, obwohl die physische Manifestation dieser Kreatur erst jetzt begann. Am Kopfende des Tisches verdichtete sich ein Schatten, scheinbar aus dem Nichts. Die Dunkelheit vertiefte sich, bis eine konturlose, aber nicht abzuleugnende Präsenz im Raum weilte. Funke sagte sich, es müsse eine Projektion, ein Hologramm sein. Doch er wußte, daß das Wesen, das dahintersteckte, irgendwo in der Nähe war. Widerstrebend setzte er sich zu Reede und Kirard Set an den Tisch.
»Eine Situation trat ein, die es erforderlich machte, das Treffen zu verschieben«, fuhr die brüchige Stimme der Quelle fort. »Aber die Bruderschaft möchte hören, welche Fortschritte du in deinen verschiedenen Aktivitäten gemacht hast, deshalb bin ich hier, um deinen Bericht entgegenzunehmen. Funke Dawntreader.«
Funke hörte auf, Kullervo zu betrachten, der den sich formenden Schatten mit wilden, haßerfüllten Blicken angestarrt hatte, während ihm der Schweiß von der Stirn perlte, und die Lippen zuckten.
Statt dessen richtete Funke nun seine Aufmerksamkeit auf die Quelle, ohne jedoch genau hinzuschauen.
»Wie geht es deiner entzückenden Gemahlin, der Königin? Konntest du sie davon überzeugen, daß es für sie besser wäre, wenn sie ihre Protektion auf uns ausdehnte und diesen Hafen ...« Die Stimme klang belustigt, »auch für andere Handelsgüter öffnete, wie es ihre Mutter getan hat?«
Funke schüttelte den Kopf. »Noch nicht.«
Die Quelle gab ein angewidertes Geräusch von sich. »Dann ist deine Frau also immer noch ihrem ehemaligen Liebhaber, diesem neuen Obersten Richter, hörig?«
Funke spürte, wie seine Lippen schmal wurden; er fühlte, wie Kirard Set und Kullervo ihn beobachteten. »Die Königin, meine Gemahlin«, antwortete er, »bekommt alles, was sie braucht, von der Hegemonie.« Mit starren Lippen versuchte er zu lächeln. »Im Gegensatz zu Arienrhod braucht sie uns also nicht.« Er zuckte die Achseln. Kullervo prustete vor Vergnügen; Kirard Set hob die Mundwinkel in ungewolltem Respekt.
»Wie schade.« Der Schatten am Tischende veränderte sich in einer Weise, die sich nicht beschreiben ließ. »Nun, im wirklichen Leben gibt es auf jede Frage immer mehrere Antworten ... Kirard Set Wayaways – wie geht es deiner reizenden Familie?«
Funke rückte sich auf seinem Platz zurecht, als die Quelle seine Aufmerksamkeit von ihm abwandte.
»Meinen Sohn gelüstet es nach Ariele Dawntreader, wie immer; meine Frau gelüstet es nach allem, wodurch sie sich jünger fühlt. Ich glaube, diese Woche ist ein Schönheitschirurg an der Reihe.«
»Und wie wurde das Gerücht aufgenommen, daß beim Besuch der Hegemonischen Gesellschaft das Wintervolk wieder an die Macht kommt?«
»Sehr gut«, murmelte Kirard Set mit leicht überheblichem Lächeln. »Die meisten Winterleute sind dafür. Selbst die Sommerleute sind so vom Fortschritt besessen, daß sie eine Veränderung der Machtverhältnisse akzeptieren
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