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Tief atmen, Frau Doktor!

Tief atmen, Frau Doktor!

Titel: Tief atmen, Frau Doktor! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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des Meeres.
    Lucy saß auf dem Sofa und las die Lanzette. Fay durchstöberte die Praxisbibliothek im hohen Bücherschrank. »Oh, das Jahrbuch der Medizin«, rief sie aus. »Genau das, was ich brauche -« Sie sah es genauer an. »Von 1948«, fügte sie enttäuscht hinzu. »Glaubst du, daß Schweinezucht zum Vergnügen und Gewinn lesenswert ist?«
    »Mama Arkdale hat mir gesagt, daß Dr. Fellows-Smith eigentlich Tierarzt werden wollte, aber irrtümlich mit dem falschen Praktikum begann. Offenbar bemerkte er das erst, als er schon die Hälfte hinter sich hatte.«
    Fay ließ sich aufs Sofa fallen, nahm das Mitrebury Echo zur Hand und fuhr sich mit den Fingern durch das lange Haar. »Warum ist in Mitrebury nach sechs Uhr abends nie etwas los?«
    »Die Ehrbarkeit. Sie sind völlig versessen darauf. Das Laster von Mitrebury. Wenn wir lang genug hier sind, werden wir uns in Stützen der hiesigen Gesellschaft verwandeln, wie unsere drei Vorgänger. Es ist genauso unvermeidlich wie die Verwandlung von Lots Weib in eine Salzsäule.«
    »Was haben wir abends nicht alles gemacht? Diskotheken, Filme, Abendessen mit reizenden Männern? Ich leide an sexuellem Gedächtnisschwund«, klagte Fay. »Ich fange an zu vergessen, wie es ist.«
    »Hast du nicht schamlos mit diesem wunderschönen Kleriker von St. Michael und All Angels geflirtet? Noch dazu wo er unverheiratet ist.«
    »Und es höchstwahrscheinlich bleiben wird. Er ist völlig andersherum.«
    Lucy warf die Lanzette auf den Tisch. »Ich verstehe das nicht - nicht einmal eine Ansichtskarte von meinem geliebten Roddy aus Los Angeles.«
    »Dein geliebter Roddy! Ich verstehe nicht, wie du über seine Pubertätsakne hinwegsehen konntest.«
    »Er hatte eine unebene Haut, sonst gar nichts«, wandte Lucy heftig ein.
    »Es muß gewesen sein, wie wenn man mit einer Gewürzreibe ins Bett geht.«
    »War es aber nicht!«
    »Siehst du, du streitest schon wieder.«
    »Ich streite nicht.« Lucy hielt inne und blickte den ausgestopften Fasan verträumt an. »Weißt du, wie ich ihn kennengelernt habe? Es war während des Pathopraktikums im St. Bonifaz-Krankenhaus. Wir waren derselben Leiche zugeteilt. Leberzirrhose«, erinnerte sie sich zärtlich. »Er lud mich zum Essen ein. Wir gingen in dieses billige italienische Restaurant gegenüber der Unfallabteilung. Wir bestellten fegato, weil es so köstlich klang. Es stellte sich als das italienische Wort für Leber heraus. Wir haben vielleicht gelacht!«
    »Inzwischen hat dein geliebter Roddy wahrscheinlich ein dürres, sonnengebräuntes Mädchen aus Kalifornien geheiratet und ist einem amerikanischen Wohltätigkeitsverein beigetreten«, sagte Fay entmutigend.
    »Warum«, fragte Lucy, »scheinen die auch nur im entferntesten annehmbaren Männer in Mitrebury uns wie den Tod zu fürchten?«
    »Es ist immer das gleiche bei Ärztinnen.«
    »Ich hätte mir gedacht, sie würden uns interessant finden. «
    »Nur abstoßend. Wenn Männer endlich selbstbewußt genug sind, uns als intellektuell ebenbürtig zu akzeptieren, sind sie seit Jahren verheiratet. Es ist wirklich ein Problem. «
    »Also werden wir bis zum Klimakterium in dieser Praxis bleiben? Unverheiratet, ungeliebt und unbelästigt?« Lucy gab die Hoffnung noch immer nicht auf.
    »Viele Ärztinnen arbeiten ihr Leben lang in ungetrübtem Glück als Zweiergespann zusammen.«
    »Liebste Fay - und ich dachte, du wärst so anspruchsvoll.«
    Sie wurden durch lautes Klopfen unterbrochen. Beide hatten gemerkt, daß das Harmonium verstummt war und das Telefon geläutet hatte. »Sie werden von der Polizei verlangt. Im Polizeirevier High Street.«
    Lucy sprang auf. »Oh, wie aufregend! Ich habe mich schon nach einer Amtshandlung als Polizeiarzt gesehnt. Glaubst du, es wird genauso sein wie bei Agatha Christie? Eine Leiche mit einem fremdartigen, orientalischen Dolch im Rücken? Obwohl es natürlich der Butler war.«
    »Nichts so Großartiges, Frau Doktor.« Mr. Windows beraubte sie dieser Illusionen. »Nur einer, der betrunken Auto gefahren ist.«
    »Mit Leuten dieses Schlages habe ich nicht das geringste Mitgefühl«, erklärte Lucy streng. »Alkohol ist die Hauptursache für Verkehrstote und schwere Unfälle. Die Statistik beweist es.« Wieder läutete das Telefon im Warteraum. »Zumindest ist es eine Abwechslung.«
    »Sogar ein Polizist mit Plattfüßen wäre eine Abwechslung«, sagte Fay.
    »Dr. Liston-« Mr. Windows erschien abermals. »Schon wieder die Polizei. Offenbar ist es dem Betrunkenen gesetzlich

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