Tief atmen, Frau Doktor!
eingebrochen zu sein und einen Knoten in meine Chiasma opticum gemacht zu haben.«
Freddie griff sich an sein Abdomen. »Muß verrückt gewesen sein, Likör und alten Portwein zu mischen. Verheerend für meine Gallenblase.«
»Nehmen Sie nur Ihre Medizin.« Mr. Windows bot ihnen zwei schäumende Gläser auf einem Tablett an. »Die Mischung wie gehabt.«
Ihr ersticktes Gurgeln ging in einen langen Seufzer der Erleichterung über, als die Therapie zu wirken begann. Seit Jahren versuchte Freddie, die pharmakologische Wirkung von Mr. Windows' Trank zu analysieren. Er gelangte zu der Auffassung, daß das glühende Hitzegefühl im Magen vom Kater ablenkte. Sie blickten auf, als die beiden jungen
Ärztinnen gleich nach Beendigung ihrer Vormittagssprechstunde hereinkamen.
»Na! Sie beide waren ja gestern nacht ganz schön flott unterwegs«, grüßte Fay sie freundlich.
»Je älter man wird«, murrte Freddie, »desto leichter verträgt man die Menschen und desto schwerer den Alkohol.«
»Ich leide an totalem Gedächtnisschwund«, gestand Roland.
»Alles, woran ich mich erinnern kann«, sagte Freddie, »ist, daß wir McTavishs Felltasche offensichtlich gegen den Strich gestreichelt haben.«
»Dann muß ich Ihnen ins Gedächtnis rufen«, sagte Lucy in ernsterem Ton, »daß Dr. Hill wegen Trunkenheit am Steuer vor Gericht stehen wird.«
Roland nickte und meinte gefaßt: »Das ist natürlich Pech. Aber es passiert ständig. Politikern, Schauspielern, Juristen. Einem ganzen Verein.«
»Aber trotzdem - ist es nicht traurig?« fragte Fay, im selben Tonfall wie Lucy. »Nach fünfunddreißig Jahren als ehrenwerter Arzt in Mitrebury?«
»Der Ruf des alten Biggin Hill war immer makellos«, sann Freddie. »Sogar während des Krieges, in diesem Luftwaffenhelferinnenlager. Er beging nur eine einzige Unbesonnenheit - und die hat er geheiratet.«
»Er wird nicht nur seinen Führerschein verlieren, sondern auch seinen Job«, erklärte Fay. »Der Abstinenzlerverein wird von ihm dasselbe halten wie Vegetarier von einem gegrillten Kotelett.«
»Dieser Beruf bedeutet ihm sehr viel«, stimmte Freddie zu. »Sonst hätte er nichts anderes zu tun, als zu Hause zu bleiben und mit seiner Frau zu reden. Ich jedenfalls kann seine Lage verstehen.«
»Wir müssen ihm aus der Patsche helfen«, beschloß Roland.
»Aber wie?« fragte Freddie.
»Indem wir der Polizei die Blutprobe herauslocken, wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf«, schlug Mr. Windows vor.
»Das würde im höchsten Maße dem Berufsethos widersprechen.« Lucy tat den Vorschlag brüsk ab.
»Na komm schon. Sei kein Spielverderber«, drängte Fay.
»Spielverderber?« fragte sie entsetzt. »Darf ich dich daran erinnern, daß wir Polizeiärzte sind?«
»Du bist ein Moralapostel«, sagte Fay.
»Bin ich nicht!«
»Doch. Ein streitsüchtiger, kleinlicher Moralapostel.«
»Ihr streitet euch doch nicht schon wieder?« Liz Arkdale eilte geschäftig zur Tür herein. »Mir persönlich ist es egal, ob ihr euch die Augen auskratzt, aber den Patienten liegt nicht allzuviel daran, wenn sie hören, daß ihre Ärztinnen sich genauso schlecht benehmen wie ihre Parlamentsmitglieder. Es zerstört das Vertrauen. Ihr könnt doch ein Losungswort gebrauchen, um es von vornherein zu unterbinden. Wie der pawlowsche Hund, versteht ihr? Zum Beispiel —«
»Pax?« sagte Lucy keck und verschränkte die Finger.
»Nobless oblige?« schlug Fay vor.
»>Hippokrates< klingt standesgemäßer. Ja, immer wenn Gewitterstimmung herrscht, sagt >Hippokrates< zueinander. «
»Ja, Mrs. Arkdale«, sagte Fay sanft.
»Also los.«
»Hippokrates«, sagte Fay zu Lucy.
»Hippokrates«, sagte Lucy zu Fay.
Beide kicherten. Liz Arkdale wandte ihre Aufmerksamkeit den älteren Ärzten zu, die, das Kinn in die Hand gestützt, auf dem Sofa saßen. »Ich habe die ganze Geschichte von gestern nacht gehört, während ich im Krankenhaus operierte. Natürlich hat sie schon in ganz Mitrebury die Runde gemacht.«
»Wie hier getratscht wird«, stöhnte Freddie. »Erinnert ihr euch daran, wie einer der Kanoniker die Bushaltestelle entweihte?«
»Unser Streit, Mrs. Arkdale«, erklärte Lucy starrköpfig, »ist deshalb entstanden, weil Fay allen Ernstes vorschlug, wir sollten uns irgendwie Dr. Hills Blutprobe von der Polizei zurückholen.«
»Großartige Idee«, sagte sie.
»Mrs. Arkdale! Das würde doch mein Gewissen belasten.«
»Du bist dir nur zu fein dazu«, rief Fay aus.
»Das bin ich ganz und gar nicht.«
»Aber
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