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Tief im Herzen: Roman (German Edition)

Tief im Herzen: Roman (German Edition)

Titel: Tief im Herzen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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zerschlissene Unterhose ausgezogen hatte. Scham überwältigte ihn.
    »Lassen Sie mich los.« Seine Stimme war ein angstvolles Krächzen, was seine Wut noch steigerte.
    »Jetzt entspann dich mal. Entspann dich. Ich bin Ärztin. Sieh mich an.« Stella kam näher. »Sieh mich an. Sag mir deinen Namen.«
    Das Herz hämmerte in seiner Brust. »John.«
    »Smith, vermutlich«, meinte sie trocken. »Na, wenn du die Geistesgegenwart hast, mich anzuschwindeln, dann geht es dir wohl nicht allzu schlecht.« Sie leuchtete mit einer Lampe in seine Augen. »Ich würde sagen, du hast dir eine leichte Gehirnerschütterung eingehandelt. Wie oft bist du ohnmächtig geworden, seit man dich geschlagen hat?«
    »Das war das erste und einzige Mal.« Er spürte, wie er unter ihrem festen Blick rot wurde, und er kämpfte mit sich, um sich ihr nicht zu entziehen. »Glaube ich. Sicher bin ich nicht. Ich muß hier weg.«
    »Ja, natürlich, und zwar ins Krankenhaus.«
    »Nein.« Die Angst verlieh ihm die Kraft, ihren Arm zu packen, bevor sie sich aufrichten konnte. Wenn er ins Krankenhaus ging, würde es Fragen geben. Und mit den
Fragen kamen die Cops. Mit den Cops kamen die Sozialarbeiter. Und dann wäre er im Handumdrehen wieder in dem Wohnwagen, der nach abgestandenem Bier und Pisse stank, bei einem Mann, dem es Freude bereitete, auf einen Jungen einzuschlagen, der nur halb so groß war wie er.
    »Ich gehe nicht ins Krankenhaus. Das tue ich nicht. Geben Sie mir einfach meine Klamotten. Ich habe Geld. Ich bezahle Sie für Ihre Mühe. Ich muß weg.«
    Sie seufzte wieder. »Sag mir deinen Namen, deinen richtigen Namen.«
    »Cam. Cameron.«
    »Cam, wer hat dir das angetan?«
    »Ich weiß es …«
    »Lüg mich nicht an«, fuhr sie auf.
    Und er brachte es tatsächlich nicht fertig. Seine Angst war zu groß, und sein Kopf begann so heftig zu schmerzen, daß er um ein Haar gewimmert hätte. »Mein Vater.«
    »Warum?«
    »Weil er es gern tut.«
    Stella preßte die Finger auf ihre Augen, dann ließ sie die Hände sinken und blickte aus dem Fenster. Sie sah das blaue Wasser, die dichtbelaubten Bäume und den Himmel, wolkenlos und wunderschön. Und in dieser herrlichen Welt, dachte sie, gab es Eltern, die ihre Kinder schlugen, weil es ihnen Spaß machte, und niemand hinderte sie daran.
    »Na schön, jetzt mal eins nach dem anderen. Dir war schwindelig, du kannst nur verschwommen sehen?«
    Vorsichtig nickte Cam. »Ja, zum Teil. Aber ich habe seit einer ganzen Weile nichts gegessen.«
    »Ray ist unten und kümmert sich darum. Er kocht besser als ich. Deine Rippen sind gequetscht, aber nicht gebrochen. Um das Auge steht es am schlimmsten«, murmelte sie und berührte sanft die Schwellung. »Das können wir hier behandeln. Wir waschen und verarzten dich, und dann sehen wir mal, wie es dir geht. Ich bin Ärztin«, wiederholte sie und lächelte, als sie ihm mit ihrer wohltuenden,
paradiesisch kühlen Hand das Haar aus der Stirn strich. »Kinderärztin. Darunter fällst du auch noch, du harter Bursche. Wenn sich dein Zustand nicht bessert, müssen wir dich röntgen lassen.« Sie griff in ihre Tasche und holte ein Antiseptikum heraus. »Es wird jetzt ein wenig brennen.«
    Er zuckte zusammen und sog die Luft ein, als sie sein Gesicht verarztete. »Warum tun Sie das?«
    Sie konnte nicht anders. Mit ihrer freien Hand strich sie ihm eine wirre Locke aus dem Gesicht. »Weil ich es gern tue.«
     
    Sie hatten ihn dabehalten. So einfach war das gewesen, dachte Cam jetzt. So einfach war es ihm zumindest damals vorgekommen. Erst Jahre später hatte er erkannt, wieviel Arbeit, Mühe und Geld sie investiert hatten, um ihn erst in Pflege zu nehmen und dann zu adoptieren. Sie hatten ihm ein Heim gegeben, ihren Namen und alles, was seinem Leben einen Sinn gab.
    Vor knapp acht Jahren hatten sie Stella durch Krebs verloren, der sich in ihrem Körper ausgebreitet und ihn allmählich von innen zerfressen hatte. Ein Teil des Lichts, womit sie das Haus am Rand von St. Christopher’s, der kleinen Stadt am Wasser erfüllt hatte, war in Ray, in Cam und den beiden anderen verlorenen Jungen, die sie zu ihren Söhnen gemacht hatten, erloschen.
    Cam hatte sich in seine Rennen gestürzt – egal, was, egal, wo. Und jetzt brauste er nach Hause zu dem Mann, der für ihn zum Vater wurde.
    Er war unzählige Male in jenem Krankenhaus gewesen  – in der Zeit, als seine Mutter dort gearbeitet hatte, und später, als sie wegen ihrer Krankheit dort behandelt wurde, an der sie schließlich

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