Tief in meinem Herzen
nicht, warum sie mit dem Kind hier aufgetaucht war. Wo war die Mutter des Babys?
In diesem Moment gab das Baby ein leises Wimmern von sich. Es schien aufzuwachen.
„Sie müsste gleich gefüttert werden“, erklärte Beth und sah ihn leicht panisch an. „Ich muss das Fläschchen machen.“
Beim Geräusch des weinenden Babys wurde Cesarios Herz schwer. Er erinnerte sich noch genau an den ersten Schrei seines Sohnes, nachdem er auf die Welt gekommen war. Einen kurzen Moment lang schloss Cesario die Augen, in der Hoffnung, die Frau und das Kind würden verschwunden sein, wenn er sie wieder öffnete. Vielleicht hatte seine Fantasie ihm bloß einen Streich gespielt.
Doch Beth Granger war immer noch da und schaukelte das Kind in ihren Armen. Das Baby konnte einfach nicht seins sein. Die Vorstellung war einfach zu absurd. Doch er konnte Beth Granger auch nicht einfach wegschicken, ohne sich wenigstens vorher angehört zu haben, was sie zu sagen hatte.
Seufzend zog Cesario sein Handy aus der Tasche und drückte ein paar Tasten. Einen Augenblick später klopfte es an der Tür, und der Butler trat ein.
„Begleiten Sie Ms Granger bitte in die Bibliothek und stellen Sie sicher, dass sie alles hat, was sie benötigt“, wies er Teodoro an. „Ich werde gleich dazukommen.“
Der Butler nickte.
„Bitte folgen Sie mir, Signorina Granger.“
Beth warf dem Butler einen verlegenen Blick zu – schließlich hatte sie ihm versprochen, im Salon zu warten, bis ihr Taxi kam – folgte ihm dann aber zurück durch den großen Ballsaal. Erleichtert seufzte sie, nachdem Teodoro die Tür hinter ihnen geschlossen und sie nicht mehr den unzähligen neugierigen Blicken ausgesetzt war. Ihr zitterten noch immer die Knie. Die Begegnung mit dem Schlossherrn des Castello del Falco hatte sie völlig aus der Fassung gebracht.
Er hatte sie ganz schön eingeschüchtert. Und er ist unglaublich attraktiv, flüsterte eine leise Stimme in ihrem Kopf. Trotz der auffälligen Narbe. Was ihm wohl zugestoßen war? Wie hatte es zu einer so grausamen Verletzung kommen können? Als sie an seinen eiskalten Blick dachte, wurde ihr klar, dass sie wohl niemals den Mut aufbringen würde, ihn danach zu fragen.
Während Teodoro Beth in die Bibliothek führte, erklärte sie ihm, dass der Taxifahrer Sophies Kinderwagen und ihre Wickeltasche im Windfang vor dem Eingangsportal des Schlosses abgestellt hatte. Als der Butler ging, um ihre Sachen zu holen, legte Beth Sophie vorsichtig auf den Teppich. Das Baby war mittlerweile hellwach und schenkte Beth ein so herzerweichendes Lächeln, dass sie nur so dahinschmolz.
„Du bist so süß“, flüsterte sie dem Baby zu. Als das Kind ihre Stimme vernahm, lachte es und strampelte mit den Beinen. Beth wusste jedoch, dass Sophies Lachen ganz schnell in ein ohrenbetäubendes Schreien übergehen würde, wenn sie nicht in den nächsten Minuten ihr Fläschchen bekommen würde. Die volle Verantwortung für das Baby ihrer Freundin zu tragen, war keine leichte Aufgabe, musste Beth zugeben. Sie hatte es jedoch nie bereut, selbst in den unzähligen Nächten nicht, in denen Sophie unablässig geschrien, geweint und Beth den Schlaf geraubt hatte.
Mel hatte ihre Wünsche in ihrem Testament deutlich festgehalten. Trotzdem hatte Beth mehrere nervenaufreibende Befragungen des Jugendamtes über sich ergehen lassen müssen, bevor man sie als geeigneten Vormund für Sophie befunden hatte. Erst dann hatte sie das Kind aus dem Krankenhaus zu sich nach Hause holen dürfen. Aber das alles zählte jetzt nicht mehr. Wichtig war nur, dass Sophie nicht wie sie und Mel im Kinderheim aufwachsen würde.
„Deine Mummy hat gewollt, dass ich auf dich aufpasse“, flüsterte sie Sophie zu. „Ich werde dich immer lieben und nicht zulassen, dass du mir weggenommen wirst. Uns kann nichts trennen, mein Engel.“
Das stimmte nicht ganz. Der Gedanke traf sie wie ein Schlag, als sie aus ihrem Mantel schlüpfte. Sie hatte Sophies Vater vollkommen ausgeblendet. Cesario Piras musste bereits auf dem Weg in die Bibliothek sein. Ihr Magen krampfte sich zusammen, als sie daran dachte, wie angewidert er sie angesehen hatte. Wie ein ekliges Insekt, das unter einem Stein hervorgekrochen war. Sie wusste selbst, dass sie keine Schönheit war. Aus irgendeinem Grund jedoch hatte sie sich in dem Moment, als Cesario Piras ihr diesen geringschätzigen Blick zugeworfen hatte, gewünscht, sie sei wunderschön. So wie der Großteil seiner weiblichen Partygäste.
Sie seufzte.
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