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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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neueren Datums sein, es zeigt sich sofort nach der Kontaminierung. Und als ob das alles noch nicht schlimm genug wäre, haben wir auch noch die ›unbekannten Zusammensetzungen‹. Es ist also ein Schmelztiegel wirklich schrecklicher Gifte. Hinzu kommt noch der immense Druck auf dem Meeresgrund, und dadurch könnten alle möglichen chemischen Reaktionen entstehen, die der Wissenschaft einfach nicht bekannt sind. Ich glaube, dass die Wale uns vor einer ökologischen Katastrophe warnen wollen. Aber eins verstehe ich nicht: Agent Orange ist doch eine amerikanische Angelegenheit, warum greifen die Wale dann Großbritannien an? Ist das Zufall oder …«
    »Vielleicht haben die Amerikaner diesen Dreck nicht ins Meer geworfen, vielleicht waren wir das ja.«
    »Wir haben amerikanische Chemiewaffen verklappt?«
    Kate schob ihm einen Ordner zu.
    »Ich habe einen Suchauftrag in der Press Association Library gestartet. Wir waren das erste Land, das ein dem Agent Orange ähnliches Entlaubungsmittel eingesetzt hat …«
    »Was?«
    »Während des Malaiischen Bundes von 1948 bis 1958. Es wurde im Dschungel und auf die Kommunikationsleitungen der kommunistischen Aufständischen versprüht. Die Wale haben also schon die korrekte Geografie gewählt. Die chemischen Waffen sind von Großbritannien abgeladen worden.«
    *  *  *
    Auf der Jasmine hingen Kabel von der Winde in den Frachtraum hinunter. Auf beiden Seiten des Ladebaums standen die Matrosen, um zu verhindern, dass die Ladung beim Hinaufziehen an die Kanten der Klappe stieß. Im vergeblichen Versuch, sie warm zu halten, schlugen sie ihre behandschuhten Hände aneinander.
    Kapitän Schwarzkop sah ihnen von der Brücke aus zu. Er fand, seine Männer auf dem Deck unter ihm sahen aus wie Gespenster. Ihre Kleidung war weiß bereift vom Nebel, der so schlimm war, wie er ihn noch nie erlebt hatte. Wie ein Leichentuch lag er über dem Meer. Er drückte schwer auf das Schiff, und die Seeleute sehnten sich nach ihren Kajüten.
    Auf dem erhöhten Vordeck stand der Bootsmann und bediente die Steuerung der Winde. Er achtete darauf, dass seine Füße festen Halt hatten. Zwar war die See nicht besonders rau, aber das Deck war glatt, und er hatte keine Lust, vor den Augen des Kapitäns und der Matrosen auf den Hintern zu fallen.
    Ein Ruf aus dem Frachtraum verkündete, dass die Ladung befestigt war. Der Bootsmann zog am Hebel. Ein surrendes Geräusch ertönte, und dann tauchte ein Metallbehälter, einer von fünfen, auf. Als er ohne Probleme aus der Ladeklappe heraus war, traten die Matrosen beiseite. Auf dem Container stand in Russisch und Englisch »St Johnston«, darunter befand sich ein Totenkopf mit gekreuzten Knochen.
    Kapitän Schwarzkop spähte in den Nebel und fragte sich, was wohl in dem geheimnisvollen Behälter sein mochte, der am Kabel der Ladewinde baumelte. Was auch immer es war, er würde sich besser fühlen, wenn es sicher auf dem Boden des Irminger Beckens lag.
    Und dann passierte etwas Unvorhergesehenes. In einem Moment hob der Kapitän noch die Hand, um dem Bootsmann sein Okay zu geben, im nächsten gab es einen donnernden Krach, und der Bug des Schiffs hob sich aus dem Meer. Kapitän Schwarzkop fiel um wie ein gefällter Baum. Das gesamte Schiff bäumte sich auf und sank dann wieder in die Wellen zurück. Der Bootsmann war immer noch auf dem Vordeck, aber nur gerade eben so. Der Schlag hatte ihn aus dem kleinen, eingezäunten Bereich herauskatapultiert, er hing über der Backbord-Reling, und als das Schiff wieder ins Meer eintauchte, legte sich das Wasser wie ein Teppich auf das Deck. Der Bootsmann wurde auf das darunterliegende Deck geschleudert, und die beiden Matrosen trieben hilflos in den Wassermassen, die vom Heck bis zum Bug hindurchrauschten. Die Ladung schwang am Kabel hin und her.
    Als Kapitän Schwarzkop sich wieder aufgerappelt hatte, sah er seinen Bootsmann bewegungslos, vielleicht tot, unten auf dem Deck liegen, und Matejko klammerte sich verzweifelt an einen Hydranten, um nicht von den Wassermassen davongerissen zu werden. Aus der Ladeklappe drangen die Schreie von Ravn, der von zehntausend Litern Meerwasser durch den Frachtraum gespült worden war.
    »Scheiße«, sagte der Kapitän tonlos. »Scheiße.«
    Er wartete ein paar Sekunden, als ob das Ganze noch einmal passieren könnte. Matejko begann zu heulen und zu schreien, »Helft mir, helft mir«, aber der Kapitän achtete nicht darauf. Hatte das Schiff ein Leck? War der Rest der Mannschaft in Ordnung?

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