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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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das ich mir vorstellen kann; wenn die Wale dieses Zeug in ihrem Organismus haben, dann … Als ob wir nicht schon genug Probleme hätten. Wale schwimmen die Themse hinauf, Derek Petersen begeht Selbstmord, die Wähler fragen, warum die Regierung die Angelegenheit nicht im Griff hat, und jetzt auch noch das. Was für ein heilloses Durcheinander!
    *  *  *
    Eiskalter weißer Nebel lag über dem unergründlichen Nordatlantik. Er schlang sich um die Jasmine , umhüllte das Schiff, als wolle er es nie wieder loslassen. Zweihundert Meilen entfernt tobte ein Sturm, und der 4000-Tonner tanzte auf den Wellenbergen. Die Sicht betrug weniger als fünfzig Meter. Kapitän Schwarzkop stand auf der Brücke und spähte hinaus. Er sah noch nicht einmal den Bug seines Schiffs, und nur einer der beiden Masten war auf dem Deck unter ihm deutlich sichtbar. Drei Männer arbeiteten dort. Der Kapitän überprüfte noch einmal seine Position und schaute auf seine Uhr. Noch etwa eine Stunde. Er war froh, auf der Brücke zu sein. Dieser Nebel war eiskalt.
    Kapitän Schwarzkop war achtunddreißig Jahre alt und Amerikaner. In den zwanzig Jahren seines Erwachsenenlebens war er aus so ziemlich jeder Institution herausgeflogen, die man sich vorstellen konnte, aus dem Football-Team, aus der US -Marine, aus zwei angesehenen Handelsschifffahrtslinien und drei Ehen. Er hatte vor dem Kriegsgericht gestanden, drei Disziplinarverfahren und ein Gerichtsverfahren hinter sich gebracht, drei attraktive Frauen und zwei stolze Eltern verschlissen und etwa so viel Whisky beseitigt, wie ein mittelgroßer Tanker transportieren kann. Mit dreißig hatte er den Lebensstil gefunden, der zu ihm passte: Er ließ sich nur noch als Skipper von Fahrt zu Fahrt anheuern. In den letzten fünf Jahren hatte er verschiedene gefährliche Einsätze auf der ganzen Welt gehabt, und im Vergleich dazu wirkte das Sperrgebiet geradezu zahm.
    Vor drei Stunden war die Jasmine in den Nebel geraten und sofort mit Eis überzogen gewesen. Das Deck war gefährlich glatt, und wenn man etwas mit der bloßen Hand berührte, blieb man unweigerlich daran kleben.
    Der Bootsmann draußen auf Deck fluchte bei der Arbeit. Seine Flüche verwandelten sich sofort in weiße Miniaturwolken. Zusammen mit zwei Matrosen schlug er das Eis vom Ladebaum. Er trug dicke Fäustlinge mit dünnen Wollhandschuhen darunter, aber seine Hände fühlten sich kälter an als das Eis, das er bearbeitete. Die beiden Matrosen hatten auch keine Lust.
    »Frachtwinde klar, Bootsmann, Sir«, sagte Matrose Ravn hoffnungsvoll. Er war ein junger Däne, der sein Mädchen daheim in Frederikshavn über alles liebte, und er wollte so schnell wie möglich in seine Kajüte zurück, um ihr einen weiteren langen Liebesbrief zu schreiben.
    »Quatsch«, grollte der Bootsmann.
    Ravn warf seinem polnischen Kollegen, dem Matrosen Matejko, einen verzweifelten Blick zu. Erneut schlugen sie beide mit ihren Hämmern auf die Frachtwinde ein. Bevor sie benutzt werden konnte, musste sie absolut sauber sein.
    Nicht zum ersten Mal fragte sich der Bootsmann, was sie eigentlich hier in diesem eisigen Nebel taten. Sie hämmerten auf das Eis ein, nur damit der Kapitän irgendetwas Schlimmes im Meer versenken konnte … Andere Männer hatten leichte Acht-Stunden-Jobs. Sie schliefen abends mit ihren Frauen, während er sich nur auf ein paar Stunden erschöpften Schlaf in einer schmutzigen Kajüte oder auf ein Schachspiel mit dem hinterhältigen chinesischen Koch freuen konnte.
    Auf der Brücke telefonierte Kapitän Schwarzkop mit der Kombüse.
    »Bring heißen Kaffee für die Jungs an Deck«, befahl er.
    Dann blickte er auf das Radar. Da draußen war nichts, was darauf hindeutete, dass der Erfüllung seines Auftrags irgendetwas entgegenstünde. Alles war ruhig und still. Leicht verdientes Geld, dachte er.
    *  *  *
    13.00 Uhr in der British Library am King’s Cross in London: Roddy, der einen Stapel Fotokopien trug, stieß die Tür zum Lesesaal Wissenschaft 2 mit dem Fuß auf und ging hinaus. Er hatte die Lippen fest aufeinandergepresst, und man sah ihm seinen Kummer an. Dereks Selbstmord hatte ihn entsetzt, und beinahe wäre er unter der Schuld zusammengebrochen. Aber dieses Gefühl war rasch durch Wut ersetzt worden. Da draußen war eine so böse Macht, dass sie nicht nur die Wale am Brighton Beach getötet hatte, sondern auch seinen Freund: Am liebsten wäre er sofort auf die Schurken losgegangen.
    In der gut gefüllten Kantine gegenüber

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