Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
Vom Netzwerk:
klickt der alte Walbulle, bis er erneut auftauchen muss, um Luft zu holen. Wenn er länger unten bleibt, bekommt er Sauerstoffmangel und muss sich anschließend an der Oberfläche länger erholen. Blackfin hört auf zu klicken und schlägt mit der Schwanzflosse, um aufzusteigen. Er ignoriert den Schmerz, den das Metallglied der Kette an seinem blutigen Fleisch verursacht. An der Oberfläche wird er Luft holen, und dann taucht er erneut und stößt wieder seinen Ruf aus.
    *  *  *
    »Wo wohnst du?«, fragte Kate, als sie und Roddy in den Aufzug des Mietshauses in Clerkenwell traten, in dem ihre Wohnung lag.
    Aus einem Reflex heraus hätte Roddy beinahe geantwortet, »im Institut für Meeressäugetiere«, aber er korrigierte sich gerade noch. »Eigentlich bin ich gerade obdachlos. Ich habe dort gelebt, wo ich gearbeitet habe. Als die Wale tot waren, hat man mich gefeuert, und so habe ich mit meinem Job auch meine Wohnung verloren.«
    »Oh.«
    »Sie war nicht groß«, fügte Roddy hinzu, als die Aufzugtüren auf Kates Stockwerk aufglitten. »Nur eine Kammer. Aber es war meine Kammer.«
    Kate nickte. Sie schloss die Tür zu ihrer Wohnung auf und führte ihn in ein luxuriös eingerichtetes Loft mit einer breiten Fensterfront, die eine großartige Aussicht auf Clerkenwell und London bot.
    »Es braucht wohl jeder seine Kammer«, sagte sie.
    »Ja, vermutlich«, erwiderte Roddy und schaute sich um. Er trat an die riesige Fensterfront. Das hier hat mindestens eine Million gekostet, dachte er; dabei kann sie doch unmöglich älter sein als fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig …
    »Ich koche uns einen Kaffee«, sagte Kate und ging in die Küche. »Und dann machen wir uns an die Arbeit«, rief sie ihm zu.
    Sie wollten über ihre nächsten Schritte nachdenken. In kürzester Zeit hatten sie eine Menge erschreckender Informationen bekommen, und sie wussten nicht so recht, wo sie ansetzen sollten. Roddy sah hinunter auf Clerkenwell Green und fragte sich, ob sich der Name wirklich einmal auf eine Parkanlage bezogen hatte, und falls ja, wann daraus asphaltierte Parkplätze geworden waren. Ein surreales Bild kam ihm in den Sinn … Die Weiten des Ozeans, asphaltiert, ein riesiges Einkaufszentrum auf tausend Etagen.
    Kate kam aus der Küche und stellte leere Tassen auf einen Tisch. Dann ging sie zu ihrem Anrufbeantworter.
    » Piep … Gerry hier, du bist nicht da, du solltest aber da sein, warum bist du nicht da, ruf mich an. Piep … Gerry hier, ich habe dich –«
    »Mein Chef«, erklärte Kate und verzog das Gesicht.
    » – gestern ein halbes Dutzend Mal angerufen, ich weiß, dass du die Nachrichten bekommen hast, weil sie heute früh gelöscht waren, deshalb setz mich bitte ins Bild. Piep … Okay, es ist jetzt halb vier Uhr nachmittags, und du bist seit sechsunddreißig Stunden verschwunden. Ruf mich an! Piep … Kate, hier ist Gerry, wenn du tot bist oder so, ist das in Ordnung, aber wenn nicht, bist du gefeuert. Piieep.«
    Kate setzte sich auf die Kante eines modernen Sofas und lächelte ihn fast entschuldigend an. Roddy betrachtete sie interessiert: die blassen Wangen, die jetzt gerötet waren, die leicht geöffneten Lippen, so als wolle sie etwas sagen.
    »Lass uns weitermachen.«
    Sie sprang auf, um die Kaffeekanne aus der Küche zu holen. Sah er Erregung in ihren Augen? Oder sogar Erleichterung?
    »Du scheinst es nicht gerade schwer zu nehmen.«
    Sie blieb stehen.
    »Ich weiß nicht. Ich könnte Gerry jetzt natürlich anrufen und meinen Job zurückbekommen, indem ich ihm den größten Knaller liefere, den er je gesehen hat.«
    »Aber das wirst du nicht tun, oder?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    Kate überlegte.
    »Vielleicht bin ich erleichtert, dass mir der Job nicht mehr im Weg ist. Das ist zwar möglicherweise ein großer Karrierefehler, aber wenn ich die Story jetzt abliefern würde, dann würden sie sie so bringen – und dabei ist es doch nur die halbe Geschichte. Ich will das nicht mehr. Ich will nicht mehr nur zur Hälfte Wahrheit und zur Hälfte Vermutungen. Ich will einfach …« Sie suchte nach den richtigen Worten. Ich will die ganze Wahrheit, und ich will etwas damit erreichen. Verstehst du das?«
    So etwas habe ich immer schon verstanden, dachte Roddy.
    *  *  *
    Rattigan war erkältet. Es hatte sich in der Nacht schon angekündigt und sich dann tagsüber richtig ausgebreitet. Es pochte hinter seinen Schläfen, die Nasennebenhöhlen waren verstopft, und die Augen brannten. Daran waren die schlechten

Weitere Kostenlose Bücher