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Tiefer Schmerz

Tiefer Schmerz

Titel: Tiefer Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Sie mich nicht festnehmen. Können Sie nicht ein Papier aufsetzen oder so was?«
    »Natürlich nicht. Haben Sie sich unter dem Namen Henry Blom eines Verbrechens schuldig gemacht? Seien Sie ehrlich. Wir prüfen es nach.«
    »Nein, nein. Hit Cab war meine Möglichkeit, ins Leben zurückzukehren. Ich habe mich so lange versteckt, ich bin versackt. Es war unerträglich. Dann kam ich auf die Idee, daß ich eine neue Identität erfinden könnte. Es dauerte, und es war anstrengend, aber es war es wert. Ich bin jetzt anständig. Ich verdiene nicht besonders viel, und die großen Gesellschaften reißen die meisten Fahrten an sich. Ich war in Arlanda und habe gegen sie protestiert.«
    »Wann haben Sie die Identität gewechselt?«
    »Vor drei Jahren.«
    »Und es kam Ihnen nicht in den Sinn, daß Ihr Vergehen inzwischen verjährt war?«
    Olli Peltonen starrte sie wild an.
    »Es liegt eine gewisse Ironie darin«, sagte Chavez. »Um einer Straftat zu entrinnen, die keine Straftat mehr ist, machen Sie sich einer größeren Straftat schuldig, und das ist die einzige, wofür wir Sie festnehmen könnten. Daß Sie sich Henry Blom nennen.«
    »Ist das wirklich wahr?«
    »Allerdings«, sagte Hjelm. »Sie haben sich so lange versteckt, daß Sie dem Gesetz inzwischen egal sind. Aber Mord ist dem Gesetz nicht egal. Da ist die Verjährungsfrist sehr, sehr lang. Also helfen Sie uns jetzt. Dann dürfen Sie für den Rest Ihres Leben Henry Blom heißen, und niemand wird protestieren. Darauf haben Sie mein Wort.«
    Olli Peltonen saß ganz still da und dachte über die Ironie des Schicksals nach. Dann sagte er: »Es war nach Süden.«
    Das war alles.
    »Jetzt kommen Sie schon«, sagte Chavez. »Sie sind Taxifahrer. Sie kennen jede Straßenecke von Groß-Stockholm aus dem Effeff. Wohin haben Sie den Mann ohne Nase gefahren?«
    Peltonen dachte nach. Er mußte sich über ein großes und furchtbares Loch in der Zeit zurückbewegen. Er balancierte auf der schmalen Planke über dem abgrundtiefen Loch. Schritt für Schritt, schwankend, ging er rückwärts.
    Und dann sprang Olli Peltonen auf der anderen Seite herunter.
    »Nytorp«, sagte er mit einem jugendlichen Klang in der Stimme.
    »Wo zum Teufel liegt Nytorp?« fragte Chavez, der nicht jede Straßenecke von Groß-Stockholm aus dem Effeff kannte.
    »Nytorp liegt in Tyresö«, sagte Peltonen stolz.
    Tyresö, dachte Paul Hjelm.
    »Wissen Sie noch die Adresse?« sagte er. »Die Straße?«
    Peltonen dachte nach. Es dauerte seine Zeit.
    »Es war ein Vogelname«, sagte er.
    Schweigen.
    »Ein gewöhnlicher Vogel«, sagte er. »Ein ganz gewöhnlicher schwedischer Vogel.«
    Neue Pause.
    »Nicht Sperling«, sagte er. »Und nicht Kohlmeise.«
    Erneutes Schweigen.
    Dann stand Olli Peltonen auf und stieß hervor: »Buchfink!«
    Bofinksvägen. Paul Hjelm lehnte sich zurück.
    Er war kürzlich dort gewesen.
    Bei einem Sohn, der seinen Vater verloren hatte.
    Im Bofinksvägen in Tyresö hatte Leonard Sheinkman gewohnt.

27
    Siebzehnter Februar 1945
     
    Das Donnern ist jetzt sehr laut. Es fühlt sich beinah wirklich an.
    Fast noch wirklicher als mein Name, der an der Spitze der Liste steht.
    Heute glaubte ich, die Decke würde einstürzen. Teile fielen auf uns herunter, sie sahen aus wie Eisschollen. Ein Stoß erschütterte das ganze Gebäude. Ich weiß nicht, was dort draußen geschieht. Aber ich frage mich, ob wir überleben werden.
    Es ist klar, daß ich weiß, was geschieht. Es ist klar, daß es Bomben sind. Die Bomben der Befreier töten die Eingesperrten.
    Darf man wagen, von Ironie zu sprechen?
    Ja, man darf. Man muß es. Wie könnte man sonst atmen? Der letzte Atemzug muß durch einen Filter von Humor getan werden. Ich rufe mir jeden Jiddischwitz ins Bewußtsein, den ich je gehört habe. Es sind nicht so viele. Als religiöser Mensch war ich nicht sonderlich gelungen. Ich hatte zu großen Respekt vor der Seele.
    Sie gehen dort auf dem Gang, ich sehe sie durch das Zellenfenster, sie wandern wie unselige Geister durch ein Dasein, das schon vorüber ist. Sie fragen sich, warum sie am Ufer des Todesflusses zurückgeblieben sind. Wie betrunkene Schiffe schwanken sie auf dem Todesfluß. Die Kompressen leuchten wie Laternen von den geleerten Schädeln.
    Ja. Ich kann nicht an dieses Schicksal rühren, das mich erwartet. Es geht nicht. Es ist jenseits von allem.
    Ich sollte keine Angst spüren. Das ist ein Lebenszeichen. Ich habe nicht das Recht, Lebenszeichen zu zeigen.
    Ich habe nicht das Recht.
    Der Regen. Der

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