Tiefer Schmerz
Schubkarre über den U-Bahnsteig am Odenplan geschoben und Anton Eriksson alias Leonard Sheinkman an einer Eiche auf dem Südfriedhof aufgehängt hatte.
Da drang eine erregte Frauenstimme zu ihm durch:
»Jetzt reicht es aber wirklich. Jetzt sagen wir es zum letztenmal.«
Arto Söderstedt blickte auf und sah eine erzürnte Stewardeß, die die Hände in die Seiten gestemmt hatte.
»Entschuldigung?« sagte er verwundert.
Die Stewardeß sagte: »Die Maschine ist vor einer halben Stunde gelandet.«
Noch auf dem Flughafengelände rief er Ernst Herschel an und fragte: »Elena Basedow, die mich am Bahnhof abgeholt hat, arbeitet sie schon lange für Sie?«
»Sie arbeitet nicht für mich.«
»Wie bitte?«
»Ich bin schon gestern nach Weimar gekommen, um eine Reihe von Dingen in meinem Büro durchzusehen. Ich habe im Hotel übernachtet. Wir sind uns zufällig am Abend begegnet, und ich erinnerte mich an sie von der Arbeit im Schmerzzentrum. Am Morgen habe ich sie gefragt, ob sie Sie mit meinem Wagen am Bahnhof abholen könnte, weil ich noch einiges zu erledigen hatte.«
»Wie war sie?«
»Wie bitte?«
»Wie war sie im Bett?«
»Mein Gott noch mal.«
»Ich meine es wirklich ernst«, sagte Söderstedt. »Wie war sie im Bett? Es ist wichtig.«
Es war einen Moment lang still. »Ich habe noch nie einen solchen Genuß erlebt«, sagte Professor Ernst Herschel.
Söderstedt bedankte sich und beendete das Gespräch. Er stand eine Weile da und war in Gedanken versunken.
Was hatte sie dort gemacht?
Was für zusätzliche Informationen hatte sie gebraucht?
Er rief sich alles in Erinnerung. Es waren nicht einmal fünf Stunden vergangen. Was war mit ihrem Blick auf dem Bahnsteig? Ein schneller, scharfer und scheuer Blick.
Wenn sie – wie di Spinelli und Herschel – in Arto Söderstedt Pertti Lindrot erkannt hatte, dann hatte sie das sehr, sehr gut versteckt.
37
Arto Söderstedt trug kräftige Kletterschuhe und einen sehr dicken Pullover von hoher Reißfestigkeit mit verstärkten Ellenbogen. Dazu eine derbe militärgrüne Hose mit ordentlich vielen Taschen.
Er hatte ein Hotel in unmittelbarer Nähe des Palazzo Riguardo genommen. Dort saß er in seinem Zimmer und sah auf die Uhr. Es war vier Uhr morgens. Da begab er sich hinaus in die Mailänder Nacht.
Es war noch finster. Mailand schlief seinen Schönheitsschlaf. Nur vereinzelt klang das Geräusch eines Autos durch die Großstadtnacht. Aus der Tiefe des Himmelsgewölbes lugten die Sterne hervor, der Mond war nur eine schmale Sichel.
Arto Söderstedt durchquerte einen kleinen Park und gelangte zum Beginn einer Gasse. Auf der einen Seite lag eine vollkommen glatte Hausfassade. In einiger Höhe an der Wand waren zwei Überwachungskameras angebracht. Auf der anderen Seite der Gasse lag die Rückseite des Palazzo Riguardo. Die wenigen Fenster, die auf diese Seite hinausgingen, waren hoch oben.
Man sah eine runde Klappe mit einem schweren Schloß. Sie war tief in die dicke rosa Hauswand versenkt.
Söderstedt betrachtete die beiden Überwachungskameras, die sich sehr langsam von rechts nach links drehten. Er wartete.
Als die Kameras ihre äußerste Position erreichten, stürzte er in die Gasse und drückte sich gegenüber vom Palast dicht an die glatte Fassade. Er blickte zur Uhr und wartete. Die Kameras machten kehrt und bewegten sich zurück, jede von ihrer Seite.
Der Schlüssel, der an seiner Hand hing, zitterte leicht in der lauen Nacht.
Sein Blick war auf die Uhr gerichtet. Vier, drei, zwei, eins.
Null.
Er ging los. Überquerte die Gasse. Schnell mit dem Schlüssel ins Schloß. Rasch die Klappe hoch. Und dann tauchte er hinein. Ins Ungewisse.
Während er durch eine pechschwarze, nach unten führende Röhre glitt, hörte er über sich in der Gasse die Klappe zuschlagen. Dann fiel er mit einem dumpfen Aufprall in den Container.
Er befand sich inmitten eines furchtbaren Gestanks. Fauler Fisch. Es war stockfinster, und die Luft kam ihm sauerstoffarm vor. Er blieb wie ein unförmiger Haufen im Müll liegen und versuchte, ruhig zu atmen. Er steckte den Schlüssel in eine Hosentasche mit Klettverschluß. Dann tastete er nach einer anderen Tasche und fühlte die Kontur einer klei nen Pistole, die in Marconis Umschlag gelegen hatte. »Eine rein theoretische Pistole, vermute ich«, wie Söderstedt gesagt hatte. Er tastete nach einer dritten Tasche. Daraus holte er eine kleine Taschenlampe und knipste sie an.
Er lag in einem Müllhaufen. Ameisen liefen hin und her über
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