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Tiefer Schmerz

Tiefer Schmerz

Titel: Tiefer Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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füllte die Lücken selbst aus.
    Kouzmin, Franz. Geboren am siebzehnten Januar 1935 unter dem Namen Franz Sheinkman als Kind jüdischer Eltern in Berlin. Von August 1940 an Konzentrationslager Buchenwald. Die Mutter im November 1944 hingerichtet. Der Vater ins Schmerzzentrum in Weimar verlegt, wo er im Februar 1945 stirbt. Der neunjährige Franz wird das Opfer medizinischer Versuche. Im Januar 1945 wird ihm die Nase entfernt. Eine ukrainische Frau namens Elena Kouzmin hat Mitleid mit ihm, sie adoptiert ihn später und nimmt ihn mit in ihre Heimatstadt, das vom Krieg verwüstete Odessa. Die Familie lebt im Elend. Franz wächst als adoptiertes, jüdisches, nasenloses Armenkind auf. Natürlich wird er in seiner Schule gemobbt und verfällt früh dem Alkohol. 1967, mit zweiunddreißig Jahren, heiratet er eine Alkoholikerin. 1969 bekommen sie eine Tochter. 1971 stirbt die Ehefrau an Kehlkopfkrebs, Folge ihres Alkoholismus. 1974 wird die Tochter im Kinderheim untergebracht.
    Irgendwann zu Anfang der achtziger Jahre rafft Franz sich auf und beginnt, in Europa nach Verwandten zu suchen, die überlebt haben. Im Sommer 1981 stößt er auf den Namen seines Vaters. In Schweden. Im August besteigt er die M/S Cosmopolit und begibt sich nach Schweden, um seinen Vater wiederzusehen – und vermutlich mit der Absicht, unmittelbar danach die Tochter aus dem Kinderheim zu holen. Er erinnert sich an seinen Vater vage als eine (dem Tagebuch nach zu urteilen) gute Gestalt aus der tiefsten Vergangenheit. Um 18 Uhr 25 am siebten September legt die M/S Cosmopolit im Stockholmer Freihafen an. Franz geht an Land und findet ein Schwarztaxi, das von einem Finnen namens Olli Peltonen gefahren wird. Der Mann fährt ihn zu der Adresse Bofinksvägen in Tyresö. Der Vater macht auf. Sie erkennen sich nicht. Das ist nicht verwunderlich. Es sind fast vier Jahrzehnte vergangen, seit sie sich zuletzt sahen. Freudestrahlend betritt der Sohn das feine Haus seines Vaters. Der Mann, den er für seinen Vater hält, stößt ihm ein Küchenmesser in den Rücken. Was ihm in den letzten Sekunden seines Lebens durch den Kopf schießt, kann man sich kaum vorstellen. In Odessa kommt die Tochter Ende September in die Wohnung ihres Vaters. Die Wohnung ist leer. Sie meldet sein Verschwinden bei der Polizei. Die letzten Worte der Akte Franz Kouzmin sind die seiner zwölfjährigen Tochter: ›Und gerade jetzt, wo Papa aufgehört hatte zu trinken. Seit einem Monat war er völlig nüchtern. Und ganz, ganz froh.‹
    Dort sollte die Akte enden. Es sollte nichts mehr zu sagen geben über die traurige Gestalt Franz Kouzmin.
    Doch es folgten noch ein paar Seiten.
    ›Save Kouzmin?‹  ›Yes.‹
    Es war eine andere Person Kouzmin. Die Akte war mitkopiert und gespeichert worden.
    Magda Kouzmin. Die Tochter.
    Kouzmin, Magda. Geboren 1969 in Odessa. Eltern: Franz Kouzmin, geb. Sheinkman, und Lizavjeta Kouzmin, geb. Sjatova. Tod der Mutter 1971, von ihrem fünften Lebensjahr an im Kinderheim. Als sie zwölf ist, stirbt ihr Vater. Früher Drogenkonsum. Aufgegriffen wegen Prostitution 1984, im Alter von fünfzehn Jahren, danach weitere dreißigmal bis 1997. Außerdem an die zwanzigmal mißhandelt, wonach mehrfach Krankenhausbehandlung erforderlich. Gehört seit 1987 zu einem Bordell, das Parteifunktionäre mit Prostituierten versorgt. Dem Vernehmen nach bei den Parteifunktionären hoch geschätzt. Zitat Zeugenaussage: ›Macht ihre Arbeit unglaublich gut. Habe noch nie solchen Genuß erlebt.‹ Nach dem Zerfall der Sowjet union wird dieses Bordell von der ukrainischen Mafia übernommen, die ihrerseits im Februar 1996 unter die Kontrolle einer den ukrainischen Behörden unbekannten internationalen Organisation namens Ghiottone gerät. Zwischen Februar 1996 und August 1997 siebenmal mißhandelt. Von ihrem Zuhälter Artemij Tolkatjenko im August 1997 als vermißt gemeldet, zusammen mit zwei weiteren Prostituierten. Tolkatjenko ging 1998 nach Manchester in England, wo er am dreizehnten März 1999 in der Nähe des Fußballstadions Old Trafford ermordet wird. Magda Kouzmins weiteres Schicksal ist unbekannt.
    Magda. Auf den Namen der Großmutter väterlicherseits getauft, der Ehefrau Leonard Sheinkmans.
    Magda. In der Stockholmer U-Bahnstation Odenplan von Lublin aus angerufen.
    Magda. Die Anführerin der Erinnyen.
    Magda. Leonard Sheinkmans Enkelin.
    Im Februar 1996 wird Magdas Bordell von Ghiottone übernommen. Es wird anscheinend ein noch höllischeres Leben als vorher. Sieben

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