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Tiefer Schmerz

Tiefer Schmerz

Titel: Tiefer Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Rosensträuchern entlangglitt und durch die Löcher, die er statt der Nase hatte, die Gartendüfte einsaugte und die feine Tür erreichte und dachte: ›Daß es Papa so gut ergangen ist und mir so schlecht. Aber jetzt, jetzt werden die Wunden meines Lebens heilen. Sobald ich mit Papa wiedervereint bin, den ich liebte, als wir in Berlin wohnten, und der mich jeden Abend in dem gräßlichen Buchenwald tröstete. Dann werde ich nach Odessa zurückkehren und Magda aus diesem schrecklichen Kinderheim herausholen, wo alle zu Drogensüchtigen und Huren werden, und wir werden hierher ziehen, in das feine Schweden, und endlich eine richtige Familie werden.‹
    Ein paar Minuten später war er tot.
    Sollte Anton Eriksson tatsächlich auch das Leben seiner eigenen Kinder zerstören dürfen? Postum?
    »Wir scheißen drauf«, sagte Kerstin Holm und legte den Sicherheitsgurt wieder an.
    »Und die Wahrheit?« sagte Paul Hjelm und schnallte sich an.
    »Es muß eine Grenze geben«, sagte Kerstin Holm.
    Paul Hjelm lachte, drehte den Zündschlüssel um und fuhr wieder auf den Bofinksväg in Tyresö.
    Anton Eriksson durfte der Mann bleiben, der er sein halbes Leben lang zu sein geglaubt hatte. Professor Leonard Sheinkman.
    Der Nobelpreiskandidat.
    Es war zu hoffen, daß er sich irgendwie mit seinem gefälschten Leben versöhnt hatte, bevor er starb.
    Paul Hjelm gab Gas und drehte die Musik lauter.
    So fühlten sie sich. Genau so.
    Kind of Blue.

39
    Dann geschah das, wovon er nur geträumt hatte.
    Sie kam zu Besuch. ›Ein Sonnenstrahl‹, wie Anja am Abend sagte.
    Sie tauchte einfach auf. Arto saß auf der Veranda und schlürfte Vin Santo durch den Trinkhalm und ließ es sich einfach nur wohl sein, und Anja ging an die Tür und machte auf.
    Sie kam auf die Veranda und sagte: »Deine Kollegin von der italienischen Polizei.«
    »Kollegin?« dachte er.
    Dann wandte er sich um, und da stand sie.
    Sie sah genauso aus wie in Weimar. Sie wirkte ein wenig ängstlich und hielt krampfhaft eine kleine Handtasche fest.
    »Herr Söderstadt«, sagte sie vorsichtig.
    Sie war es wirklich.
    Es war Magda Kouzmin.
    Es war Magda Sheinkman.
    Es war Elena Basedow.
    Er konnte nicht umhin, ein ganz kleines bißchen zu lachen.
    Sie sah nicht so schrecklich mörderisch aus. Erinnye bei Tage.
    Er bot ihr einen Stuhl an. Sie dankte und setzte sich. Er wußte nicht, wie er anfangen sollte. Sie offensichtlich auch nicht. Eine Weile saßen sie schweigend da und betrachteten die Kinder, die herumliefen und wie Schachfiguren im Grünen aussahen. Fünf Weiße und inzwischen vier Schwarze. Die Schar der Spielkameraden wuchs langsam, aber sicher.
    »Ich beneide Sie«, sagte sie. »Sie leben. Ich tue etwas anderes.«
    »Der Onkel meiner Mutter hat Ihren Großvater ermordet«, sagte Arto Söderstedt.
    Es gibt verschiedene Eröffnungssätze.
    Sie wandte sich ihm zu und lächelte. »Ich dachte mir, daß er ein Verwandter sein mußte.«
    »Er ist vor kurzem gestorben. Ich habe ihn beerbt. Was Sie hier um sich herum sehen, ist ein falsches Paradies. Es ist Ihr Geld. Und das vieler anderer. Ich weiß noch immer nicht, ob ich der Welt erzählen soll, daß der Kriegsheld Pertti Lindrot ein Schwein war. Ich weiß nicht – soll ich deshalb das Glück meiner Kinder aufs Spiel setzen?«
    »Ich weiß es auch nicht«, sagte sie. »Pertti Lindrot?«
    »Ja. Aus Finnland.«
    »Der dritte Mann«, nickte sie. »Er ließ sich nicht identifizieren. Es war unmöglich. Schließlich erfuhr ich, daß es auf jeden Fall ein Foto von ihm gab, und zwar bei Herschel in Weimar. Ich bin hingefahren und habe mit ihm geschlafen und das Foto kopiert. Kurz danach holte ich am Bahnhof den Mann ab, den ich eine Stunde zuvor auf einem sechzig Jahre alten Foto gesehen habe. Es war ein bißchen eigenartig.«
    »Ich verstehe«, sagte Söderstedt. »Er hat sich totgesoffen, langsam, aber sicher. Das ist das Versöhnliche in seiner Existenz.«
    »Vielleicht«, sagte Magda Kouzmin zögernd. »Ich habe übrigens auch darauf geachtet, daß das Muttermal am Hals bestätigt wurde.«
    »Wie sind Sie in den Palazzo Riguardo gekommen?«
    »Auf dem gleichen Weg wie Sie, eine nach der anderen, ganz in Ruhe. Ein paar Stunden vorher. Sie waren überhaupt nicht wachsam. Auf Sie haben sie gewartet, nicht auf uns. Sie folgten Ihnen. Sie haben Sie die ganze Zeit beobachtet.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Wir haben sie beobachtet.«
    »Sie sind mir also gefolgt, und Sie sind ihnen gefolgt?«
    »Ja. Was ich wissen möchte, ist: Wie

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