Tiefer Schmerz
und sich von ihnen wie in einer warmen, warmen Umarmung umfangen ließ. Religiös? Jaein. Aber ohne Gefühl für das Heilige stirbt auch das Gefühl für das Unheilige. Und das müssen wir uns erhalten. Sonst sterben wir.
Ungefähr so war es. Aber wie sagt man das am besten?
Vielleicht so: »Es ist nicht ganz einfach zu erklären. Aber es ist nichts Schlimmes. Ich grüble und pussele so ein bißchen vor mich hin.«
Paul Hjelm lachte unbeschwert. »The story of my life«, sagte er.
Sie schwiegen eine Weile. Der Abstand zwischen ihnen war nicht besonders groß. Es gab keine wasserdichten Schotten zwischen ihnen. Es schwappte über. Nein, man konnte sich nicht restlos verstehen. Aber konnte man sich selbst restlos verstehen?
So what? Wie es aus den Lautsprechern tönte.
Die Bilder auf ihrer Netzhaut waren auf jeden Fall die gleichen. Hultins Flipchart. Zuerst fünf Namen: unten die beiden, die zusammen mit Magda im August 1997 vor Ghiottone aus Odessa geflohen waren. Oben drei Namen in roten Großbuchstaben: Magda Kouzmin, Magda Sheink man, Elena Basedow. Drei Namen, ein Mensch. Dazu ein von Arto Söderstedt und Ernst Herschel gemeinsam erstelltes Phantombild. Arto hatte vertraulich mitgeteilt, er vermute, daß Herschel bessere Voraussetzungen habe, ihre Vagina zu beschreiben als ihr Gesicht, aber es war auf jeden Fall ein Bild geworden. Von einem Gesicht und nichts anderem. Das Bild war auch Adib Tamir gezeigt worden, und er hatte genickt. Ja. So sah sie aus, die Braut, die Hamid zerstückelt hatte.
Arto Söderstedt war also okay. Allerdings war er vier Zähne losgeworden, trug noch immer eine sonderbare Zahnspange und konnte seinen Vin Santo nur durch ein Saugröhrchen schlürfen. Er sprach auch etwas wunderlich. Davon abgesehen aber klang er froher denn je.
Es war fraglich, ob er je wieder nach Hause kommen würde.
Neben dem Phantombild von Magda hingen jetzt vier weitere Fotos, das heißt, drei Phantombilder und ein richtiges Foto. Immer noch war erst eine der Erinnyen auf die fotografische Platte gebannt, und zwar die mit dem Handy im Bus in Gdynia, zwei waren Phantombilder, die Jadwiga von der M/S Stena Europe produziert hatte, und das dritte war von einem Verkäufer eines Großmarkts in Bromma zusammengestückelt worden, zu dem Jorge mit großer Finesse das rot-lila gestreifte Seil zurückverfolgt hatte. Der Verkäufer erinnerte sich an eine schwarzgekleidete Frau, die er als Osteuropäerin ausgemacht und außerdem angemacht hatte. Sie bezahlte mit einhundertzwanzig Kronen und einem Tritt in den Schritt. Deshalb erinnerte er sich so deutlich an sie, und sie war keine von den bekannten vier. Also mußte es eine von denen sein, die an den Aufhängaktionen in Skansen und auf dem Südfriedhof beteiligt waren. Und auch im Palazzo Riguardo, war anzunehmen.
Der Tritt in den Schritt erschien plötzlich als ausgesprochen sanft, beinah wie eine Zärtlichkeit.
Da hingen sie jedenfalls, fünf markante Frauengesichter mit leicht slawischem Einschlag.
Alle außer Magda Kouzmin nicht identifiziert.
Europa jagte sie jetzt, und das war ihr Fehler.
Der Fehler der A-Gruppe.
Weder Paul noch Kerstin waren sich richtig sicher, ob sie das gut fanden.
Es war ein Fall, in dem viele Schuldige identifiziert worden waren und kein einziger festgenommen worden war. Dagegen war die Zeit ein wenig zurechtgerückt worden, war wieder im Takt mit sich selbst. Und Jan-Olov sah kerngesund aus. Kein Schlaganfall in Sicht. Kein schwarzes Loch im Kontinuum der Raumzeit. Möglicherweise ein neu gewecktes Gefühl von Clairvoyance, doch damit konnte man leben. Sogar Hultin.
Es war eine Antwort von der lahmen Telefongesellschaft in der Ukraine eingetroffen. Das Handy vom Odenplan hatte mehrfach zwei verschiedene Nummern in Mailand angewählt. Teils den Palazzo Riguardo, vermutlich Drohanrufe, teils ein in der Nähe gelegenes Hotelzimmer, und es war nicht ganz unvorstellbar, daß dort einige der Erinnyen gesessen und den Palast ausgekundschaftet hatten. Außerdem eine große Anzahl von Gesprächen von und nach Slagsta. Und sonst nichts weiter, was von Interesse war.
»Also, gehen wir rein?« sagte Paul Hjelm. »Gehen wir rein und zerstören Harald Sheinkmans Leben gerade in dem Moment, wo er wieder auf die Füße gekommen ist?«
Das war ihr Auftrag.
Sie betrachteten das feine Haus am Bofinksväg in Tyresö. Sie sahen es vor sich, wie ein Mann ohne Nase fast beschwingt über das schöne Grundstück hüpfte, mit der Hand an den
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