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Tiefer Schmerz

Tiefer Schmerz

Titel: Tiefer Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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im Raum befinde. Ich bin hier, und ich bin jetzt. Scheiß auf den Rest. Dann wandte er sich zum Faxgerät um. Ein letztes krrr-krrr-krrr-prritt, und der Haufen war komplett. Er nahm ihn, glättete die Seiten auf dem Schreibtisch und sagte energisch: »Gravitationelle Zeitdilatation. Solltest du mal ausprobieren. Das gibt dem Dasein Perspektive.«
    Hjelm fiel die Kinnlade herunter. Es war sehr unterhaltend.
    »Wo ist das Handy von der U-Bahn?« fragte Hultin scharf.
    »In meinem Zimmer«, erwiderte Hjelm eingeschüchtert.
    »Was tut es da? Warum ist es nicht bei der Spurensicherung?«
    »Ich habe es mir ausgeliehen, als sie ins Wochenende gegangen sind. Ich wollte es mir ein bißchen näher ansehen.«
    »Ausgezeichnet«, sagte Hultin. »Hol es her.«
    »Keine anderen Fingerabdrücke außer denen von Hamid al-Jabiris, offenbar. Wie schafft man es, an seinem eigenen Handy keine Fingerabdrücke zu hinterlassen?«
    »Hol es her«, wiederholte Hultin.
    Als Hjelm verschwunden war, sah er rasch den Papierwust durch, den das Faxgerät ausgespuckt hatte. Er fand unmittelbar das, wovon er wußte, daß er es finden würde.
    Hjelm trat mit dem Handy ins Zimmer.
    »Leg es auf den Schreibtisch«, sagte Hultin mit dem Telefonhörer in der Hand. Er wählte eine Nummer.
    Das Handy auf dem Schreibtisch klingelte.
    Es kam ihm nicht überraschend vor.
    »Jetzt«, sagte Kriminalkommissar Jan-Olov Hultin, »jetzt ist das hier ein Fall. «

10
    Es war Wochenende. Die ›Spezialeinheit bei der Reichskriminalpolizei für Verbrechen von internationalem Charakter‹ hatte frei. Die ganze Bande. Glücklicherweise hatte der Regen sich aus der Region Stockholm verzogen, so daß es möglich war, sich Feiertagsaktivitäten zu widmen.
    Jan-Olov Hultin trat vor seiner Haustür am See Ravalen in den Wald hinaus, durch das Unkrautdickicht des Gartens, das waldähnlicher war als der Wald selbst, und spähte durch gesprungene Fernglaslinsen nach heimkehrenden Zugvögeln aus. Es war, als teilte sich die Raumzeit in Segmente. Gunnar Nyberg fuhr zur Familie seines Sohns Tommy nach Östhammar. Er nahm die Joggingschuhe mit und schaffte es sogar, eine Runde zu laufen, obwohl Benny, der jetzt bald drei Jahre alt war, sich unablässig an seinen Großvater klammerte. Er hing ihm fünf Kilometer lang um den Hals, was der Trainingseinheit besonderen Pfiff verlieh. Viggo Norlander blieb fast den ganzen Samstag mit seiner Astrid und Klein-Charlotte im Bett, die unermüdlich versuchte, über die Bettkante hinauszurobben. Nicht einen Augenblick dachte sie über die eigenartigen Aktivitäten ihres leicht angegrauten Elternpaars im Bett nach.
    Kerstin Holm hatte ein Großkonzert mit Orchester und allem Drum und Dran in der Jakobskirche, wo sie im Kirchenchor die Altstimme sang. Während der goldenen verdichteten Minuten des Kyrie in Mozarts Requiem spürte sie deutlich, wie die verdünnte Stelle an ihrem Schädel vibrierte, und sie stand in direktem Kontakt mit dem Weltall. Kyrie eleison. Christe eleison. Kyrie eleison. Das war der ganze Text. Der Herr sei uns gnädig. Christus sei uns gnädig. Der Herr sei uns gnädig. Das Ehepaar Jorge Chavez und Sara Svenhagen machte einen langen Spaziergang durch Vasastaden und blieb im Vasapark hängen, wo sie auf einer Parkbank landeten und zunächst äußerst nüchtern darüber diskutierten, welche Vor- und Nachteile es mit sich brächte, Kinder zu bekommen. Es endete damit, daß sie sich kräftige Schimpfwörter an den Kopf warfen. Als eine alte Dame mit Perücke vor ihren Augen die Polizei anrief, gingen sie nach Hause in die neu gekaufte Wohnung in Birkastan und liebten sich ebenso hemmungslos wie wortlos.
    Dennoch war es kein richtig normales Wochenende. Keiner von ihnen, nicht einmal Viggo Norlander, kam darum herum, mindestens einmal pro Stunde an einen ganz besonderen Fall zu denken.
    Dies betraf nicht zuletzt Paul Hjelm. Er war mit der Familie draußen im Häuschen auf Dalarö. Seit einigen Jahren mieteten sie die baufällige kleine Kate mit einem phantastischen versteckten Grundstück am Meer und eigenem, wenn auch verfallenem Steg. Die Besitzerin war eine enorm vitale, aber an den Rollstuhl gefesselte Dame, einst Schwedens erste Boxerin, und Hjelm wurde nie ganz klar, ob sie bewußt die allumfassenden Gesetze des Marktes ignorierte oder ob der Markt ganz einfach nicht hergefunden hatte. So gesehen handelte es sich um den letzten weißen Fleck auf der Weltkarte. Maja – so hieß die ehemalige Boxerin – hätte

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