Tiefer Schmerz
natürlich allein für das Grundstück so an die drei, vier Millionen bekommen können. Jetzt vermietete sie es für siebentausend im Jahr an die Familie Hjelm und wohnte in einer kleinen Zweizimmerwohnung im Zentrum von Handen. Einmal im Jahr kam Maja zu Besuch und verbrachte eine Nacht in ihrem alten Schlafzimmer. In der Regel war dies am ersten Maiwochenende, danach wurde es, Zitat, ›allzu schwitzig im Korsett‹.
Jetzt saß sie auf der Veranda, atmete in tiefen Zügen die abendkühle Meeresluft ein und sagte: »Es war weiß Gott nicht leicht damals, lesbisch zu sein.«
Da jeder Besuch von Maja eine neue Überraschung in sich barg, schauten Paul und Cilla sie nur ein wenig vorsichtig an und warteten auf die Fortsetzung. Die auch kam.
»Das könnt ihr mir glauben«, sagte sie und schlug ihre krummen, aber kräftigen Arme um das Ehepaar. »Ihr mietet hier ein richtiges kleines Skandalnest, meine Lieben. O weiowei, was haben wir hier für Orgien gefeiert. Kein Kerl, so weit das Auge reichte. Nur eine Masse nacktbadender Nymphchen. Die Nachbarsfrauen waren hysterisch. Aber die Männer haben nicht besonders wild protestiert, so viel kann ich sagen.«
»Und einige der Nachbarsfrauen leben noch, denke ich mal«, sagte Paul Hjelm.
Maja lachte schallend auf und boxte ihm in den Oberarm. Er wußte sofort, daß es einen blauen Fleck geben würde.
»Ich vergesse immer, daß du Detektiv bist«, lachte sie.
»Du siehst nicht aus wie ein Detektiv, Paulus.«
»Finde ich schon«, sagte Cilla mit Eisesstimme.
»Aber, aber, aber«, schalt Maja. »Euer Ehegeplänkel müßt ihr später austragen. Jetzt habt ihr Gäste. Und ich nehme gern noch einen Dry Martini, danke. Ein wenig trockener diesmal, wenn’s geht.«
»Dann müssen wir ihn zu Hause brennen«, sagte Paul und blickte verstohlen zu Cilla hinüber.
Er stand auf und goß der lauthals lachenden Maja noch einen unverdünnten Beefeater ein.
»Du hast natürlich vollkommen recht«, sagte sie ein wenig ernster, nachdem der Drink serviert war. »Sie verführten die Herrschaften, ließen sich auf deren goldenen Gütern nieder – und bekamen eine Bande von Badenymphomaninnen als Nachbarn. Ein bißchen unerwartet, wenn man in die Gesellschaft einheiratet und ein Konservendosenleben erwartet. Solange eine einzige von ihnen am Leben ist, verkaufe ich nicht. Und macht euch keine Sorgen, meine Lieben, solche Weiber sind zäh.«
Cilla stand auf und tat so, als hätte sie etwas zu tun. Den Rücken zum Tisch gewandt sagte sie: »Ich will dir sagen, warum er aussieht wie ein Detektiv. Weil er nämlich die ganze Zeit über einen Fall nachdenkt. Hier ist er mit Sicherheit nicht.«
»Entschuldige, daß ich existiere«, sagte Paul weise.
»Ein Fall?« jauchzte Maja glückselig auf. »Wie spannend! Erzähl mehr, Paulus.«
»Paulus«, krächzte eine Stimmbruchstimme aus dem Innern der Kate.
»Sind die Kinder auch hier?« fragte Maja erstaunt. »Ich dachte, ihr hättet gesagt, ihr laßt sie in der Stadt.«
»In der Stadt«, meckerte die halb erstickte Stimme.
Paul Hjelm seufzte.
»Ich lebe mit einem Papagei zusammen«, sagte er mit einem Blick in Cillas Richtung. Sie stand immer noch mit dem Rücken zu ihnen und murmelte: »Er muß gerade wach geworden sein.«
»Ein richtiger Papagei?« fragte Maja angewidert. »Wie eklig.«
»Nicht wahr?« sagte Paul feige.
»Ich mag Tiere nicht«, fuhr die alte Dame fort und schlürfte Beefeater wie ein echter Seebär. »Das ist was aus der Kindheit. Es gibt tatsächlich Menschen mit Angst vor Tieren. Nicht Angst vor Spinnen oder Angst vor Schlangen oder Angst vor Kühen, sondern mit einer allgemeinen Angst vor Tieren. Man bekommt ganz einfach die Panik bei jedem Kontakt mit dem Tierreich. Es ist ziemlich lästig.«
»Du scheinst ansonsten nicht zu denen zu gehören, die unnötig in Panik geraten«, sagte Cilla, immer noch abgewandt.
»Panik ist vielleicht ein bißchen viel gesagt«, räumte Maja ein. »Aber das gibt es. Richtige Angst vor Tieren. Ich habe es aus nächster Nähe gesehen. Ich brachte mal eine kleine Großstadtgöre mit hier heraus, in die ich verliebt war, es muß gegen Ende der fünfziger Jahre gewesen sein, und als ich einen Hecht aus dem Wasser zog, schrie sie in Panik, bis sie ihre Zunge verschluckte. Ich habe sie ihr mit dem Wobbier aus dem Hals gezogen. Als ich sie ein paar Jahre später wiedertraf, sagte sie, daß sie immer noch den Geschmack von rohem Fisch tief im Hals spürte.«
Paul kicherte, goß sich selbst
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