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Tiefer Schmerz

Tiefer Schmerz

Titel: Tiefer Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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geschieht also einige Stunden später in derselben Nacht. Wie sieht die eventuelle Verbindung aus? Sara Svenhagen ist der Sache wohl trotz allem am nächsten gekommen – als ein gewisser Kommissar eine Attacke gegen ihre ›vagen Ahnungen‹ ritt. Wenn es eine Verbindung gab – und dies erschien ihm immer noch als das schwächste Glied in der Kette –, dann mußte es sich um eine von zwei Möglichkeiten handeln. Eins: Der Skansenmann war ihr Beschützer, und als er aus dem Weg geräumt war, wurden sie gekidnappt oder, schlimmstenfalls, ermordet. Zwei: Der Skansenmann war eine Bedrohung, die beseitigt wurde, und jetzt bekamen die Frauen endlich ihre Freiheit. In beiden Fällen dürfte er ihr Zuhälter gewesen sein, entweder ein guter oder ein schlechter. Und gute Zuhälter waren nicht gerade der Normalfall …
    Hultin durchwühlte die Abschriften der Verhöre von Slagsta. Wie ein guter postindustrieller Arbeitgeber zählte er sie. Norlander zwei, Nyberg vier, Svenhagen sieben und Holm – zwölf. Okay, Norlander und Nyberg waren ein paar Stunden früher weggefahren, aber der Unterschied zwischen zwölf und zwei war dennoch markant. Außerdem gab es noch eine Anzahl Protokolle von den Damen vom Vortag. Insgesamt waren es an die dreißig Papierhäufchen.
    Glücklicherweise hatte Kerstin Holm die Lage in einem separaten Promemoria vor dem Wochenende zusammengefaßt. Für den Fall, daß er jemals – gegen jede Wahrscheinlichkeit – in Pension ging, zeichnete sie sich immer klarer als seine natürliche Nachfolgerin ab. Sie hätte eigentlich schon längst Kommissarin sein sollen. Aber das hätten auch Hjelm, Söderstedt, Chavez, Nyberg sein müssen, ja, alle, bis auf Norlander, dachte er ein bißchen boshaft.
    Zwei mickrige Verhöre.
    Er faßte Kerstins Zusammenfassung zusammen. Leider konnte niemand in Slagsta sich an einen Mann mit dicker Goldkette und hellrosa Anzug erinnern. Dagegen wurde zunehmend klarer, daß vor einer knappen Woche etwas passiert sein mußte. Mehrere der äußerst widerspenstigen Freier hatten bezeugt, daß bei sämtlichen acht Frauen ein auffälliger Stimmungswechsel zu beobachten gewesen sei. Sie wirkten tief beunruhigt, wollten jedoch auf Fragen keine Antwort geben. »Sie hat gefickt wie eine verdammte Maschine«, wie ein gewohnheitsmäßig Sexmißbrauch treibender Wachmann aus dem Nachbarviertel in Slagsta über Mariya Bagrjana sagte.
    Feine Formulierung.
    Ein paar Nachbarn hatten sich an das Geräusch eines großen Fahrzeugs früh am Donnerstag morgen erinnert.
    »Es hörte sich an wie das Müllauto«, sagte eine alte Dame mit dem eigentümlichen Namen Elin Belin, »aber warum sollten sie schon um halb vier den Müll abholen?« Der andere Nachbar, ein arbeitsloser Schlachter, der laut eigener Aussage »im letzten halben Jahr nicht mehr als sechs Stunden geschlafen« hatte, sagte aus, es sei kurz vor vier gewesen, als er etwas gehört habe, was klang »wie ein SL-Bus auf Abwegen, denn hier fährt kein einziger vernünftiger Nachtbus, und Sie als behördliche Person können vielleicht meine Beschwerde bei der Verwaltung von SL vorbringen«. Dies stammte aus Viggo Norlanders mickrigem Anteil an den Verhören, was ziemlich seltsam war, denn wer hätte Viggo Norlander für eine »behördliche Person« halten können?
    Die wichtigste Information stammte jedoch von Jörgen Nilsson, dem Heimleiter. Nachdem er ein wenig unter Druck gesetzt worden war – Kerstin war offenbar etwas unsanft mit ihm umgesprungen –, gab er zu, einen Zuhälter zu kennen. Schon im November hatte ein Mann Kontakt zu ihm aufgenommen, um sich zu vergewissern, daß er sich nicht in das in der Unterkunft betriebene Geschäft einmischen würde; ihm wurde freier Zugang zu den Zimmern 224 bis 227 angeboten, wenn er dafür den Mund hielt. Augenscheinlich hatte Nilsson diesen freien Zugang über Gebühr ausgenutzt. »Stammkunde«, wie ein empörter somalischer Zahnarzt in Zimmer 220 sagte, nachdem er sich von seinem Gebetsteppich erhoben hatte. Schließlich war es Holm gelungen, Nilsson zum Polizeizeichner zu verfrachten, der ein gutes altes Phantombild zusammenstellte. Morgen sollte es durch alle erdenklichen Register gefahren werden. Doch dieser Phantomzuhälter war allem Anschein nach nicht identisch mit dem Vielfraßmann.
    Ein Schrillen des Telefons jagte ihm nicht nur einen Schrecken ein, der sein Herz aussetzen ließ, es erinnerte ihn auch daran, daß seine Argumentation falsch war. Dies war trotz allem nicht die wichtigste

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