Tiefer
Ich würde gleich nachher zu den Angestelltenquartieren laufen, um den Korb mit
ihm zu plündern. Bei dem, was ich gerade gesehen hatte, würden die Kondome wahrscheinlich gerade reichen, und ich stellte
mir vor, wie Ramon in seinem Quartier lag und von mir träumte.
Aber Ramon lag nicht in seinem Quartier, und er träumte |130| auch nicht von mir. Ich sah ihn mit Sandra und Daniel neben der Rezeption stehen. Daniel zwinkerte mir zu und sagte: «Heike,
hast du unser Geschenk bekommen? Ich dachte, den plündern wir drei heute Abend zusammen.» Ich versuchte, die Fassung zu bewahren,
der Korb war also nicht von Ramon, und krank war er auch nicht. Es kam noch schlimmer. Ramon würdigte mich keines Blickes.
«Natürlich. Bis gleich dann», murmelte er zu dem jungen Paar und verschwand. Wütend und verletzt rannte ich nach draußen und
lief Ali in die Arme. Obwohl das vielleicht nicht ganz fair war, erzählte ich ihm nicht nur von Ramon, sondern auch, dass
Daniel nichts von ihm wissen wollte. Ali dachte eine Weile nach. Es stimmt schon, dass er es zuerst sagte, aber die Idee war
im Grunde von uns beiden.
Die Grillen zirpten nicht, sie schrien so laut, dass man unsere Schritte im Zimmer nicht hören konnte. Gerade noch rechtzeitig
hatten wir uns aus dem Staub machen können, bevor Sandra und Daniel oder Ramon uns in ihrer Suite erwischten. Ramon umarmte
Sandra und schmeichelte: «Mein Stern, mein funkelnder Stern, es ist, als schlüge dein Herz in meiner Brust.» Ich hätte ihn
abmurksen können. Die drei fielen aufs Bett und fingen an, sich zu küssen. Ramon war schon ausgezogen und nestelte an Daniels
Shorts, als er plötzlich wie von der Tarantel gestochen aufsprang und schreiend durch das Zimmer lief. Er war bleich wie der
Sand am Meer unten, und er stotterte, dass es eine Freude war. Seine Säuseleien sollten ihm im Hals stecken bleiben. |131| Jetzt sprangen auch Daniel und Sandra aus dem Bett. Für die beiden tat es mir zwar Leid, aber sie würden es schon überleben.
Daniel riss die Bettdecke weg. Auf dem Laken wand sich ein Dutzend Schlangen, allesamt ungiftig natürlich, aber das sah man
ihnen ja nicht an. Der Fick mit Ramon, meinem Ramon, war ihnen jedenfalls gründlich vergangen.
Eine Schlange, die für die Verwicklungen ja eigentlich am wenigsten konnte, fiel unserer Rache leider zum Opfer. Ramon erschlug
sie in seiner Panik mit einer Stehlampe. Bevor die Geschäftsführerin den Tatort besichtigen konnte, hatten Ali und ich alle
Indizien beiseite geschafft. Die tote Schlange packte ich in eine große Tupperdose, um sie durch den Zoll zu schmuggeln und
zu Hause an die Atelierwand zu hängen, als warnende Trophäe für jeden, der beabsichtigte, mein Herz zu brechen.
Ali und ich saßen noch lange an der Bar, lachten und tranken eimerweise Pina Coladas.
Und die schmeckten so süß!
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|132| Die Ladenhüterin
Robert unterschied sich von den meisten anderen Männern dadurch, dass ihn Drogerien nicht hysterisch machten und er sogar
eine Packung Tampons für seine Freundin Maren besorgen konnte, ohne Ausschlag oder Asthma zu bekommen. Die meisten Kerls aus
seiner Kneipenrunde bekamen bei solchen Anlässen diesen ganz besonderen Blick, hatte Maren festgestellt: wie ein entlaufenes
Pony, das versehentlich in eine Autowaschanlage geraten ist. Dieser Blick spiegelte eine Mischung aus Panik und Koma: Sie
irrten ziellos durch die Drogerie, fassten alles Mögliche an, ob Antifaltencremes oder Glitzerhaarspangen, und zogen die Finger
so schnell zurück, als befürchteten sie, allein durch die Berührung mit einer Tube Enthaarungscreme schwul zu werden. Andere
sprinteten durch die Gänge, warfen ihr Deo oder Rasierwasser aufs Laufband an der Kasse und atmeten erst wieder, wenn sie
draußen standen, und beschlossen, sich zur Belohnung und Vermännlichung eine Runde durch den Baumarkt zu gönnen.
Robert war anders. Er war cool, wirklich cool. In die Drogerie am Markt ging er sogar regelmäßig. Er strich um die Intimwaschlotionen
herum und badete in Gedanken zwei Teeniemädchen, die vor dem Regal standen, |133| darin. Pelzige Teeniemädchenmuschis, klein wie haarige Pfläumchen. Dann sah er die Verkäuferin. Sie war groß, hager und gelblich,
wie ein Spargel auf Stelzen. Biestig sah sie ihn an und kratzte sich über die Wange, was ein Geräusch ergab, als würde man
eine alte Raufasertapete von der Wand schaben. Robert schüttelte sich. Die würde nie
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