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Tiefer

Titel: Tiefer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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halt was und mir auch, dann erzählte ich Sven flüsternd davon, dass da am Fußende noch jemand
     war, und nachdem er es zunächst etwas befremdlich fand, hat sich Sven mittlerweile auch mit seiner Gegenwart angefreundet.
     Das heißt nicht, dass er es toll findet, an sich glaubt er schon, dass ins Schlafzimmer einer Frau nur ein Mann gehört, nämlich
     er, aber nun ist es so gekommen, und weil es uns auch nicht schlechter kommt seitdem, ist es in Ordnung. «Milena», sagte er
     anfangs noch zu mir, «ich kann das nicht, wenn der zusieht», und ich sagte: «Du vergisst das gleich, wetten?» Na, und so war’s
     dann auch.
    Carl kommt ja auch nicht immer vom Dach runter, nur manchmal. Er ist eben einsam. Er wohnt da in einem kleinen Kabuff ohne
     Klingel und Heizung. Die Hausverwaltung weiß nichts von ihm und auch nicht die anderen Mieter.
    Der vergeistigte Schriftsteller mit den wuscheligen |140| Haaren und dem kleinen Knopf im Ohr, von dem wir die Wohnung übernommen haben und dem es sichtlich schwer fiel auszuziehen,
     machte uns genauso wenig auf Carl aufmerksam. Und wir erzählen es ebenfalls niemandem, das ist so eine Abmachung zwischen
     uns und Carl. Ich weiß gar nicht, wie Carl in unsere Wohnung kommt, ich höre ihn nie. Vielleicht hat er einen Dietrich, oder
     er hat den Schlüssel geklaut und nachgemacht. Sven und ich haben ein bisschen darüber nachgegrübelt, aber inzwischen ist es
     uns egal. Plötzlich steht er dann da wie hereingeschwebt am Fußende unseres Bettes, das viel aushält, obwohl es von Ikea ist.
     Er setzt sich auf einen kleinen Schemel und guckt, während ich über Sven knie oder Sven gerade «Milena, Milena» in meinen
     Busen brummelt. Manchmal gibt er Sven oder mir auch ganz heiser und leise Anweisungen, was wir miteinander tun sollen, oder
     er bittet uns, uns anders hinzulegen, damit er mehr sehen kann. Dann steht er keuchend und ein bisschen schwitzend auf und
     beugt sich über das Bett, um genau zu sehen, was Svens Finger zwischen meinen Beinen machen. Carl ist etwas älter als wir,
     und Sven und ich wetten, dass er noch nie eine Frau hatte. Dafür weiß er dann aber ganz schön viel über Sex. Die ungewöhnlichsten
     Einfälle kommen meistens von Carl. Zum Beispiel der mit dem Doppelwhopper. Sven hatte gerade seinen Schwanz in mich eingefädelt
     und pumpte auf mir, als Carl etwas von diesem schmalen Dildo aus Metall sagte, der bei uns in der Nachttischschublade liegt.
     Woher er das wusste, weiß |141| ich nicht, vielleicht durchsucht er unsre Wohnung, wenn wir nicht da sind. Sven war etwas befremdet, denn bis dahin wusste
     auch er nichts von dem Selbstficker, aber dann schien ihn Carls Einfall doch zu reizen, und er legte sich meine Beine über
     die Schultern und schob den leise surrenden Zylinder in meinen Hintern. Carl war gut drauf an dem Abend, vielleicht hatte
     er auch etwas eingeworfen, denn als ich gekommen war, schlug er vor, dass ich das Gleiche bei Sven machen und ihn dabei auslutschen
     sollte. «Ich bin doch nicht schwul», protestierte Sven, aber ich sagte, dass ich in der Cosmopolitan, dem Zentralorgan für
     ekstatische Orgasmen, gelesen hatte, dass alle Männer darauf stehen, also sollte er sich nicht so haben. Und was soll ich
     sagen? Er ging ab wie noch was, auch wenn er zwischendurch etwas von «pervers» murmelte.
    Manchmal sind Carls Einfälle aber auch zu bizarr, dann zucke ich zusammen und sage zu Sven: «Wie stellt Carl sich das vor,
     das kann er nicht im Ernst wollen», aber Sven sagt dann: «Probieren wir es doch einfach, wenn’s nix is, aufhören können wir
     ja immer.» Und manchmal ist Sven kurz davor, das Licht einzuschalten und Carl endgültig rauszuschmeißen, weil er «so was»
     nie-nie-nie tun würde. Natürlich hat er es doch getan. Und obwohl wir die Verrenkung aus dem Kamasutra, die Carl vorgeschlagen
     hatte und die wir ihm zuliebe auch noch am Fenster turnten, wo uns womöglich ein Nachbar gesehen hätte, wahrscheinlich nicht
     wiederholen werden, war es das eine Mal doch ganz witzig.
    |142| Carl hat einen kugelrunden Bauch und eine Brille. Seine Augen sehen dahinter aus wie Murmeln. Er sieht aus wie das große Gary-Larson-Kind
     aus den Cartoons. Auf seinem Kopf sind nicht mehr so richtig viele Haare, aber was Sven da behauptet, dass Carl nämlich die
     wenigen Haare in drei klebrigen Strähnen über den gesamten Kopf kämmt, das stimmt nicht. Carl ist nicht so ein Ekliger, nur
     etwas merkwürdig, und sehr einsam,

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