Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tiefer

Titel: Tiefer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
Vom Netzwerk:
oder was ihm sein
     personal manager sonst noch so alles geraten hat. Er sieht mir fest in die Augen, das ist nicht einfach, man versinkt in meinen
     Augen, ich kenne das. Und bei ihm ist es nicht anders. Es gibt ein unhörbares blubb, und weg ist der Mann, alle die gleichen.
     Er weiß nur noch nicht, dass er gerade ertrunken ist, und gibt sich den Anschein, als hätte er den vollen Durchblick. Nun,
     das hat er sicher nicht. Aber der Teddybär beginnt mir Spaß zu machen. Ich überlege, ob er wohl
brömm
macht, wenn man ihn auf den Rücken legt. «Was kann ich für Sie tun?», sage ich. Jetzt nicht mehr strenge Domina, sondern ganz
     schmeichelnd. Er soll sich wohl fühlen. Eine Haarsträhne fällt ihm ins Gesicht. Ich kann nicht anders und lächle. Kirchhoff,
     Arnim, ist so lecker, da möchte ich direkt hineinbeißen, da unter dem Ohr, wie in die Schwarte eines Marzipanferkels und den
     Bissen ganz genüsslich im Mund auflutschen. Er ahnt nichts und sagt: «Ich habe einen Termin. Guten Tag, Frau Biermann.» Ja,
     das steht draußen auf dem Büroschild. ‹Personalchefin› steht auch da. «Meine Name ist Kirchhoff.» – «Sie sagten es bereits»,
     unterbreche ich ihn und weide mich an seinem Schreck. Er ringt um Fassung |162| und stottert: «Ich komme zum Vorstellungsgespräch.» «Sie sind direkt von der Schule?», sage ich und überlege, ob er in anderen
     Bereichen wohl auch so jungfräulich ist. Ob ihn wohl schon jemand entbubt hat. Eine reife Nachhilfelehrerin womöglich, die
     mit geübten Kunstgriffen seine Vorstellung von mathematischen und weniger mathematischen Potenzen erweitert hat. Nein, die
     Vorstellung gefällt mir nicht. Aber der Teddybär gefällt mir, er hat zwar keinen Knopf im Ohr, aber vielleicht im Bauchnabel
     oder in einer Brustwarze? Das haben viele junge Männer heute, ich sehe das oft, wenn ich in der Sauna bin oder im Whirlpool
     liege mit halb geschlossenen Augen, als würde ich dösen, wenn ich doch in Wirklichkeit nur aus einem einzigen Grund in Thermen
     gehe: um mir knackiges Gemüse anzusehen, wie es in unserer Firma leider viel zu wenig rumläuft. Kirchhoff, Arnim, wird nervös
     bei meiner langen Pause. Er berichtet mir von seinem Abschlusszeugnis, bietet an, mir seinen Praktikumsbericht vorzulegen.
     Er spricht die Endsilben jedes Wortes gesperrt, er bemüht sich, gebildet zu wirken, aber sein Reiten und Leiern auf den Silben
     verrät ihn, er kommt aus ganz kleinen Verhältnissen. Gut, das macht nichts. Jeder kann sich hocharbeiten. Ich saß vor ein
     paar Jahren auch noch nicht hier. Ich sage: «Gehen Sie mal ein paar Schritte.» Er wird rot, seine Knopfaugen werden noch ein
     bisschen runder. Aber dann setzt er seinen Aktenkoffer ab und geht durch das Büro. Ich setze mich auf den Schreibtisch und
     schlage die nackten Beine übereinander. |163| «Ziehen Sie mal das Jackett aus.» Er tut es wirklich, ich kann es nicht fassen. Ich lehne mich zurück und genieße den Anblick.
     Er macht Sport, das sieht man. «Kirchhoff, Arnim», sage ich und senke die Stimme geheimnisvoll, «wir legen hier Wert auf ein
     gutes Betriebklima. Würden Sie wohl bitte das Hemd aufknöpfen und einmal zu mir herkommen?» Er schluckt. Sein Adamsapfel schwillt
     so an, als hätte er Apfel und Schlange gleichzeitig verschluckt. Na ja, er wird in seinem Leben noch größere Sünden begehen
     als diese, ich weiß, wovon ich spreche. Er steht vor mir. Seine Haut schimmert matt und broncefarben. Er ist viel an der frischen
     Luft. Ein Landei, rede ich mir ein, hoffe ich, ein unschuldiges Landei. Kalimero mit der Eierschale auf dem Kopf in diesem
     Büro mit mir allein. Der Gedanke gefällt mir. Ich streiche mit den Fingern über seine Brust. «Gefällt Ihnen das, Kirchhoff,
     Arnim?», säusele ich und hinterlasse blassrosa Striemen mit meinen Fingernägeln. Ich umschlinge sein Becken mit meinen Beinen
     und ziehe ihn näher an mich heran. «Erwarten Sie von einer guten Chefin nicht auch Führungsqualitäten?», sage ich. Er nickt,
     hektisch wie das Duracell-Häschen aus der Werbung. «Na, dann lassen Sie sich führen.» Ich beuge mich vor und küsse ihn auf
     den Mund. Seine Lippen sind weich und mädchenhaft, aber, das merke ich gleich, nicht ganz unschuldig. Küssen kann er. Er öffnet
     die Lippen, tastet mit seiner Zunge vor, spielt ganz langsam mit meinem Gaumen, sodass ich glaube, jede einzelne Geschmacksnoppe
     zu |164| fühlen. Seine Arme umfassen mich, und an meinem Oberschenkel fühle ich,

Weitere Kostenlose Bücher