Tiefer
in die Himmelspforte, und er strahlte sie an, als sie scharf
die Luft einzog und «Hosianna» stöhnte. Christine wurde ungeduldig. Sie zog den Slip aus, drückte den Weihnachtsmann auf das
quietschende Plastik und legte sich über ihn. Das Sofa wölbte sich in alle Richtungen. Christine nahm zur Feier des Tages
ein weihnachtlich rotes Kondom aus einer Dose und ließ sich mit einem wohligen Seufzer auf den nun nicht mehr sehr würdevollen
Weihnachtsmann sinken. «Oh, ich hör die Engel auf den Feldern singen», kicherte er und drückte ihre Brüste, «gleich kommt
ein Schiff, geladen bis an den höchsten Bug.» Christine ließ sich über ihn rollen wie eine große Welle, stieß sich neben seinen
Schultern ab |158| und glitt wieder tiefer. Sie ritt ihn, bis sie die Glocken nie süßer klingen hörte. Keuchend und schwitzend lagen Christine
und ihr Geschenk schließlich auf dem Sofa. Sie drückte ihre Wange an seinen weißen Rauschebart, küssen würde sie ihn nicht,
sie wusste, dass das bei derartigen Bescherungen nicht üblich war. Aus der Küche kam ein stechender Brandgeruch. Sie sprang
auf, um die Plätzchen zu retten, aber die bestanden nur noch aus Holzkohle. Trotzdem war Christine mit ihrem Geburtstag sehr
zufrieden, wickelte sich in einen Kimono und beschloss, gleich nachdem der Weihnachtsmann angekleidet war, ihre Freundinnen
anzurufen, um sich zu bedanken. An der Tür strich sie noch einmal über seinen jetzt wieder dicken Bauch und sagte: «Guten
Flug und vielen Dank!» Dann schob sie ihn aus der Wohnung.
Gerade als sie die Tür schließen wollte, hörte sie draußen im Flur eine japsende männliche Stimme: «Ist das hier richtig bei
Christine Schulz?» Sie spähte durch den Türspalt. Draußen stand ein Konditorei-Bote und unterhielt sich mit dem Weihnachtsmann.
«Ist das nicht nett», sagte der Bote, «hier bekommt jemand eine Torte mit einem gebackenen Gruppenfoto geschenkt, eine Frauengruppe
oder so was, alle in roten Weihnachtsmänteln und Bikinis, und Happy Birthday soll ich auch noch singen, das ist doch echt
mal eine originelle Idee.» Der Weihnachtsmann lachte so, dass der Sack auf seinem Rücken bebte. Er schlug dem Boten auf die
Schulter, «dann gratulier mal schön», dröhnte er, «und ich suche |159| die richtige Tür für meine Kinderbescherung, bin eh schon spät dran.» Er lachte noch, als er gegenüber von Christines Tür
auf das Klingelschild «Familie Schultz» drückte. Christine stand kichernd mit rot glühenden Wangen hinter der Tür, als sie
die Torte entgegengenommen hatte. Also gab es doch noch etwas Süßes zum Fest der Liebe.
Sie schloss die Augen und summte: «Santa Baby, slip a sable under the tree for me, I’ve been an awful good girl. Santa Baby,
and hurry down the chimney tonight.»
[ Navigation ]
|160| Die Besetzungscouch
«’tschuldigung?» Der Mann, der in der Tür steht, nestelt an seinem schwarzen Krawattenknoten mit den weißen Punkten, als wollte
er sich gleich damit aufknüpfen. Mal sehen, ob er bei mir punkten kann. Er ist so nervös, dass er von einem Fuß auf den anderen
tritt wie ein Erstklässler, der mal aufs Klo muss und sich nicht traut zu fragen. Ich wette, dass seine Hand, die den Griff
des schwarzen Aktenkoffers umklammert hält, schon ganz schweißig ist. Jetzt sagt er, wie er heißt. «Kirchhoff, Arnim», stottert
er. Er nennt den Nachnamen zuerst. Bin ich hier beim Bund? Seh ich aus wie eine Oberoffizierin, die ihn gleich durch den Schlamm
robben lassen will? Bestimmt nicht. Obwohl, dieser Schnuckel mit den Teddybärknopfaugen im Schlamm? Eine schöne Vorstellung.
Ich räuspere mich. «Jaja, kommen Sie rein», herrsche ich ihn an. So ein Zufall, dass ich heute ganz in Schwarz ins Büro gekommen
bin. So ein Glück. Ich weiß, dass ich in diesem Minirock und dem langärmeligen Body aussehe wie eine Mischung aus Sirene und
Domina. Ich werfe meine rotblonden Haare wie zufällig über die Schulter. Ich weiß, dass sie jetzt Funken sprühen. Ich kenne
das Licht in diesem Büro so gut, als hätte ich den Raum selbst ausgeleuchtet. |161| Damit ich mich überall perfekt in Szene setzen kann. Dass ich ihn beeindrucke, sehe ich gleich. Kirchhoff, Arnim, kommt näher,
er setzt seine Füße so vorsichtig, als hätte er Schuhe an, die eine Nummer zu groß sind. Er bemüht sich, entschlossen und
tough zu sein, aber da helfen auch keine doppelten Schulterpolster, keine bewusst tief angesetzte Stimme
Weitere Kostenlose Bücher