Tiefsee
in hundert Faden tiefem Wasser.«
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Ohne daß Lee Tong und Min Korjo es ahnten, wurde ihr Gespräch zum Dach eines in der Nähe befindlichen Apartmenthauses übertragen, wo eine Sekundärempfangsstation die Funkfrequenzsignale zu einem stimmaktivierten Tonbandgerät in einem mehrere Blocks entfernten staubigen, leeren Büro in der Hudson Street übertrüg.
Das Backsteingebäude aus der Jahrhundertwende sollte demnächst abgerissen werden, und obwohl die meisten Büros leerstanden, ließen sich ein paar Mieter Zeit damit, eine neue Unterkunft zu suchen.
Sal Casio hatte das zehnte Stockwerk allein zur Verfügung. Er hatte sich dort niedergelassen, weil das Hausmeisterteam sich nie die Mühe machte, den Fahrstuhl zu verlassen, und das Fenster ihm einen direkten Blick auf den Sekundärempfänger bot. Ein Feldbett, ein Schlafsack und eine kleine elektrische Kochplatte waren alles, was er brauchte, um durchzukommen; außer dem Empfänger bzw. Recorder war sein einziges Möbelstück ein alter verblaßter und zerrissener Fauteuil, den er aus einer Mülltonne in einem Seitengäßchen geholt hatte.
Er sperrte das Schloß mit seinem Hauptschlüssel auf und trat ein. In einer Papiertüte hatte er ein Cornedbeef-Sandwich und drei Flaschen Bier. Im Büro war es heiß und stickig, deshalb öffnete er das Fenster und schaute auf die Lichter jenseits des Flusses in New Jersey.
Casio besorgte den langweiligen Überwachungsjob routinemäßig. Ihm gefiel die Abgeschiedenheit, die ihm die Möglichkeit bot, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Er erinnerte sich an die glückliche Zeit seiner Ehe, an die Jahre, in denen seine Tochter heranwuchs, und war freundlich gestimmt.
Sein langes Streben nach Vergeltung näherte sich endlich dem Ziel und neigte sich jetzt dem Ende zu. Man mußte nur noch den Epilog des Bougainville-Dramas schreiben.
Er betrachtete den Recorder, während er von dem Sandwich abbiß, und bemerkte, daß das Band während seines Ausflugs zum Lebensmittelgeschäft weitergelaufen war. Es reichte, wenn er es am Morgen zurückspulte und abhörte, fand er. Wenn er die Aufnahme zurücklaufen ließ, während Stimmen das System neuerlich aktivierten, würde dadurch das aufgenommene Gespräch gelöscht werden.
Casio war es verwehrt, zu erraten, wie entscheidend der Inhalt des Bandes war. Der Entschluß zu warten entsprach seiner Arbeitsroutine, aber die Verzögerung sollte sich noch als überaus kostspielig erweisen.
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»Kann ich Sie sprechen, General?«
Metcalf war im Gehen und wollte gerade seine Aktentasche schließen. Er schaute besorgt, als er Alan Mercier in der Tür stehen sah.
»Selbstverständlich, kommen Sie herein und setzen Sie sich.«
Der Berater des Präsidenten für Nationale Sicherheit trat zum Schreibtisch, blieb aber stehen. »Ich habe Neuigkeiten, die Ihnen gar nicht gefallen werden.«
Metcalf seufzte. »Schlechte Nachrichten scheinen in letzter Zeit zur Tagesordnung zu gehören. Worum handelt es sich?«
Mercier reichte ihm eine Aktenmappe ohne Aufschrift, die mehrere maschinengeschriebene Blätter enthielt, und erklärte schnell im Flüsterton: »Weisungen direkt vom Präsidenten. Alle amerikanischen Streitkräfte in Europa müssen bis Weihnachten abgezogen sein. Er gibt Ihnen zwanzig Tage Zeit, um einen Plan für den totalen Abzug der Truppen aus dem NATO-Bündnis zu entwerfen.«
Metcalf sank in seinen Stuhl, als hätte ihn ein Hammerschlag getroffen. »Das ist nicht möglich!« murmelte er. »Ich kann nicht glauben, daß der Präsident solche Weisungen erteilt!«
»Ich war ebenso schockiert wie Sie, als er diese politische Bombe vor mir explodieren ließ«, gab Mercier zu. »Oates und ich versuchten, vernünftig mit ihm zu reden, aber es war sinnlos.
Er verlangt, daß alle Waffensysteme entfernt werden – Pershing und Langstreckenraketen, das gesamte Material, die Nachschubdepots, unsere ganze Organisation.«
Metcalf war bestürzt. »Wie werden sich unsere westlichen Verbündeten dazu stellen?«
Mercier machte eine hilflose Handbewegung. »Seiner Auffassung nach, die er nie zuvor geäußert hat, soll Europa selbst für seine Sicherheit sorgen.«
»Meine Güte!« fuhr Metcalf wütend auf. »Er serviert den Russen den ganzen Kontinent auf einem goldenen Tablett.«
»Ich kann Ihnen nicht widersprechen.«
»Ich denke nicht daran, den Befehl auszuführen.«
»Was werden Sie statt dessen tun?«
»Geradewegs ins Weiße Haus gehen und zurücktreten«, sagte Metcalf resolut.
»Bevor
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