Tiefsee
Hier spricht St. Julien.«
»Perlmutter?«
»Wach auf. Ich habe etwas entdeckt.«
Jetzt knipste Pitt die Bettlampe an und setzte sich auf. »Okay, ich höre.«
»Ich habe von meinen Freunden in Korea einen schriftlichen Bericht erhalten. Sie haben die koreanischen Schiffsregister durchgeackert. Was sagst du dazu? Die
Belle Chasse
wurde nie verschrottet!«
Pitt warf die Decken zurück und wurde hellwach. »Nur weiter.«
»Tut mir leid, daß ich so lange gebraucht habe, um dich wieder anzurufen, aber es handelt sich um das unglaublichste Kriminalrätsel, das ich je erlebt habe. Dreißig Jahre lang hat jemand auf seine Art Verwechslungsspiele mit Schiffen getrieben, daß es schon unglaublich ist.«
»Erzähl es mir trotzdem.«
»Zuerst habe ich eine Frage an dich. Wie hieß der Name am Heck des Schiffes, das du in Alaska gefunden hast?«
»Die
Pilottown
.«
»Waren die gemalten Lettern von einem geschweißten Perlenwulst eingerahmt?«
Pitt dachte nach. »Soweit ich mich erinnere, war die Farbe verblaßt. Die erhabenen Ränder müssen abgeschliffen worden sein.«
Perlmutters schwerer Seufzer der Erleichterung war deutlich durch das Telefon zu hören. »Ich hatte sehr gehofft, daß du das sagen würdest.«
»Warum?«
»Dein Verdacht hat sich nämlich bestätigt: Die
San Marino
, die
Belle Chasse
und die
Pilottown
sind tatsächlich ein und dasselbe Schiff.«
»Verdammt nochmal!« Jetzt war Pitt aufgeregt. »Wie hast du den Zusammenhang herausgefunden?«
»Indem ich aufdeckte, was mit der echten
Pilottown
geschehen ist.« Perlmutter wurde dramatisch. »Meine Gewährsleute fanden keine Aufzeichnungen darüber, daß eine
Belle Chasse
auf den Werften von Pusan verschrottet wurde. Also ging ich meinem Verdacht nach und ersuchte sie, in allen Werften entlang der Küste nachzuforschen. Im Hafen von Inchon fanden sie einen Anhaltspunkt. Vorarbeiter auf Schiffswerften sind interessante Menschen.
Sie vergessen ein Schiff nie, vor allem keines, das sie verschrottet haben. Sie tun, als mache es ihnen nichts aus, aber im tiefsten Inneren sind sie traurig, wenn ein müdes, ausgedientes Schiff zum letzten Mal in ihr Dock gezogen wird.
Jedenfalls hat ein alter, pensionierter Vorarbeiter stundenlang von den guten alten Zeiten erzählt. Eine wahre Goldmine für Schiffskunde.«
»Was hat er gesagt?«
»Er erinnerte sich in allen Einzelheiten daran, daß er Leiter der Arbeitergruppe war, die die
San Marino
von einem Frachtschiff zu einem Erztransporter umbaute, der dann den Namen
Belle Chasse
erhielt.«
»Aber die Aufzeichnungen der Schiffswerft?«
»Wurden offenbar von den Eignern der Werft gefälscht, die übrigens zufällig unsere alten Freunde, die Sosan Trading Company, waren. Der Vorarbeiter erinnerte sich auch, daß er die ursprüngliche
Pilottown
abgewrackt hat. Anscheinend hat die Sosan Trading oder die fragwürdige Firma, die dahinter steht, die
San Marino
und ihre Ladung entführt und die Besatzung ermordet. Dann bauten sie die Laderäume um, trugen sie unter einem neuen Namen ein und schickten sie über die Meere.«
»Was hat aber die
Pilottown
damit zu tun?«
»Sie wurde von der Sosan Trading Company rechtmäßig erworben. Es interessiert dich vielleicht, daß das Internationale Amt für Verbrechen auf See sie im Verdacht hat, an zehn Zollvergehen beteiligt zu sein. Eine verdammt hohe Zahl! Man nimmt an, daß sie alles, von Plutonium für Libyen, Waffen für die Rebellen in Argentinien, geheime amerikanische Technologien für Rußland, was du nur willst, geschmuggelt hat.
Sie fuhr unter gerissenen Unternehmern. Die Verstöße gegen das Gesetz konnten ihnen niemals nachgewiesen werden, obwohl man in fünf Fällen wußte, daß sie den Hafen mit falsch deklarierter Fracht verließ, wurde sie aber dennoch nie beim Ausladen ertappt. Als ihr Rumpf und die Maschinen schließlich verschlissen waren, wurde sie wie üblich verschrottet, und man löschte alle Eintragungen im Schiffsregister.«
»Aber warum behauptet man, sie sei gesunken, wenn es in Wirklichkeit die
San Marino
alias
Belle Chasse
war, die sie versenkt hatten?«
»Weil man in bezug auf die Herkunft der
Belle Chasse
unangenehme Fragen stellen konnte.
Die
Pilottown
besaß einwandfreie Papiere, also behaupteten sie, sie sei 1979 mit einer erfundenen Ladung gesunken und verlangten von den Versicherungsgesellschaften eine saftige Entschädigung.«
Pitt begann zu überlegen. »Hat der alte Vorarbeiter auch noch über andere Schiffsumbauten für die
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