Tiefsee
in seiner Ahnungslosigkeit eine Dummheit macht, kann man nicht voraussagen, wie das alte Biest von Bougainville darauf reagieren wird.«
»Sie könnte zum Beispiel den Einsatz erhöhen.«
»Oder noch schlimmer, den Präsidenten an den Meistbietenden verkaufen.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Polewoj nachdenklich. »Ohne Doktor Lugowoj ist das Projekt zum Scheitern verurteilt.«
Antonow lächelte spöttisch. »Verzeihen Sie meine Vorsicht, Genosse Polewoj, aber ich neige dazu, die Schattenseiten der Dinge zu sehen. Auf diese Weise kann mich selten etwas überraschen.«
»Lugowojs Experiment ist in drei Tagen zu Ende. Wir sollten darüber nachdenken, wie wir es mit der Bezahlung halten sollen.«
»Was würden Sie vorschlagen?«
»Natürlich nicht zu bezahlen.«
»Wie?«
»Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Die Goldbarren auszutauschen, nachdem ihr Vertreter sie untersucht hat. Blei unterzuschieben, das vergoldet ist, oder Barren von geringerem Goldgehalt.«
»Und das alte Miststück würde jeden einzelnen von ihnen aufspüren.«
»Wir müssen es dennoch versuchen.«
»Wie sind die Übergabemodalitäten für das Gold?«
»Eines der Schiffe von Madame Bougainville hat bereits in Odessa angelegt und ist bereit, das Gold an Bord zu nehmen.«
»Dann werden wir genau das tun, was sie am wenigsten erwartet.«
»Nämlich?« fragte Polewoj erwartungsvoll.
»Wir halten unsere Seite der Vereinbarung ein.«
»Sie meinen, wir bezahlen?«
»Bis zur letzten Unze.«
Polewoj war verblüfft. »Entschuldigen Sie, Genosse Vorsitzender, aber ich dachte…«
»Ich habe mich anders entschieden«, sagte Antonow mit Nachdruck. »Ich habe eine bessere Lösung auf Lager.«
Polewoj wartete mehrere Augenblicke stumm, aber Antonow hatte offensichtlich nicht vor, ihm mehr anzuvertrauen. Er blieb allmählich zurück und schließlich stehen.
Antonow marschierte, umgeben von seinem Gefolge, weiter, und seine Gedanken wandten sich schon wieder anderen Staatsproblemen zu.
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Suworow drückte den Knopf seiner Nachttischlampe und blickte auf seine Uhr. Sie zeigte 4 Uhr 04. Gar nicht übel, dachte er. Er hatte sich vorgenommen, um vier Uhr morgens zu erwachen, und hatte sich nur um vier Minuten verspätet. Es gelang ihm nicht, ein Gähnen zu unterdrücken. Er zog rasch ein Hemd und eine Hose an, ohne sich um Socken und Schuhe zu kümmern. Er ging ins Badezimmer, wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser und durchquerte dann das kleine Schlafzimmer, um die Tür zu öffnen.
Der hell erleuchtete Korridor lag leer vor ihm. Bis auf zwei Psychologen, die die Versuchspersonen über Monitoren überwachten, schliefen alle. Während er barfuß über den Teppich ging, begann er die inneren Ausmaße des Gebäudes abzumessen und notierte sie in seinem Notizbuch. Zwischen den vier Außenmauern kam er auf eine Länge von 50 Metern bei n Metern Breite. Die Decke war fast 3 Meter hoch.
Er erreichte die Tür des Arzneimittelraumes und öffnete sie vorsichtig. Sie war nie verschlossen, weil Lugowoj nicht annahm, daß jemand Grund hatte, etwas zu stehlen. Er trat ein, schloß die Tür und schaltete das Licht an. Suworow bewegte sich rasch und fand bald die Fläschchen mit Schlafmitteln. Er stellte sie in einer Reihe auf den Waschtisch, saugte ihren Inhalt mit einer Spritze heraus und leerte die Flüssigkeit in den Ausguß. Dann füllte er die Flaschen mit Wasser und stellte sie ordentlich auf das Regal zurück.
Er kehrte ungesehen in seinen Schlafraum zurück, legte sich wieder ins Bett und starrte zur Decke.
Er war mit sich vollauf zufrieden. Seine Tätigkeit war unentdeckt geblieben, nicht der geringste Verdacht fiel auf ihn.
Nun mußte er nur noch auf den richtigen Augenblick warten.
37
Es war ein schemenhafter Traum, von der Art, an die er sich beim Erwachen nie erinnern konnte. Er suchte jemanden in einem verlassenen Schiff. Staub und Dunkelheit schränkten die Sicht stark ein. Wie das Tauchen nach der
Eagle:
grüne Flußalgen und rostbrauner Schlick.
Sein Opfer trieb vor ihm dahin, undeutlich und immer außer Reichweite. Er zögerte und versuchte das Dunkel zu durchdringen, doch die Gestalt schien ihn zu verspotten, winkte ihn zu sich her.
Dann drang schrilles Klingeln an sein Ohr, so daß er aus seinem Traum auftauchte und nach dem Telefon griff.
»Dirk?« ertönte eine fröhliche Stimme aus einer Kehle, die er am liebsten zugedrückt hätte.
»Ja.«
»Habe Neuigkeiten für dich.«
»Was?«
»Schläfst du?
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