Tiefseeperle
noch zu sagen?“
„Wie?“, er verstand nicht.
„Häppchenweise kommen da die tollsten Geschichten zum Vorschein.“ Victoria begann, die Nerven zu verlieren, spürte es, konnte es aber nicht stoppen. Wie eine Furie baute sie sich vor ihm auf. „Wer sagt mir denn, dass du nicht schon früher dabei gewesen bist?“, dieser Satz knallte aus ihr heraus. Unkontrollierbar. Doch schon in dem Moment, als sie es ausgesprochen hatte, wusste sie, dass sie zu weit gegangen war.
„Bitte?“, Maximilian reagierte fassungslos. Anstatt aufzuhören, legte sie nach: „Vielleicht hast du ja auch zugesehen!“ Ihr Körper zitterte. Was in aller Welt sagte sie da? Hatte sie völlig den Verstand verloren?
Maximilian schien nun zu realisieren, welchen schwerwiegenden Vorwurf sie gerade formulierte. Er schaute sie an, erhob sich und verließ wortlos die Terrasse.
In Victorias Kopf dröhnte es. Immer verlor sie die Kontrolle, wenn es um dieses Ereignis ging, jede Ratio schien sich dann verabschiedet zu haben. Nun wurde ihr langsam bewusst, was sie ihm gerade vorgeworfen hatte. Sie folgte ihm nach einigen Momenten des Ausharrens.
Er saß an seinem Schreibtisch und klickte auf einem seiner Laptops herum. Sein Gesichtsausdruck war völlig versteinert.
‚Du musst dich entschuldigen‘, schrie eine Stimme in ihr. Doch sie brachte kein Wort hervor. Stand nur wortlos vor seinem Schreibtisch, war nicht sie selbst. Er wartete. Wartete auf ein Wort der Entschuldigung. Doch stattdessen sagte sie:
„Hätte ja sein können.“ War es Trotz?
Er nickte, sah sie an, sein Blick war ausdruckslos: „Ja, es hätte durchaus sein können – natürlich.“ Dann widmete er sich wieder seinem Bildschirm. Victoria stand unschlüssig und nun verschämt vor ihm. Ein Wort der Entschuldigung, und alles wäre gut. Doch sie schwieg. Minuten des Schweigens, in denen sich eine imaginäre Mauer zwischen ihnen aufbaute. Trotz der warmen Temperaturen fror sie.
Plötzlich atmete Maximilian tief durch. „Victoria, ich denke, wenn du mir so etwas unterstellst …“, er unterbrach kurz, fixierte sie mit kühlem und abweisendem Blick. So hatte sie ihn noch nie erlebt.
„ … dann sollten sich hier und heute unsere Wege trennen!“ Das saß. Wie paralysiert stand sie da und hörte was er sagte: „Ich brauche das wohl nicht näher zu analysieren, aber wenn du mir so etwas zutraust, sorry, dann sehe ich für uns keine Basis.“
Sie stand immer noch stumm da, unfähig, sich zu bewegen, zu reagieren. Und sie hasste sich dafür. Ein Satz hatte alles zerstört.
„Ich habe mich wohl in dir getäuscht.“ Diese Worte schnitten wie ein scharfes Messer in ihr Herz, lösten sie aber aus ihrer Starre. Hektisch kramte sie in ihrer Handtasche und zog die kleine rote, samtbezogene Schmuckschatulle hervor.
„Dann brauch‘ ich die wohl nicht mehr …“ Mit diesen Worten knallte sie diese auf den Schreibtisch, drehte sich abrupt um und verließ unter Tränen den Raum. Sie rannte durch den Flur und die Eingangshalle, hinaus in die gleißende Augustsonne. Was in aller Welt hatte sie da angerichtet? Doch es war einfach dieses Erlebnis, welches sie völlig aus der Bahn warf. Sie wusste, dass sie einen sehr großen Fehler begangen hatte. Natürlich war ihr klar, dass ein Mann wie Maximilian sich niemals, auch nicht vor 15 Jahren, zu einem solchen Verhalten hätte hinreißen lassen. Doch nun war es zu spät. Sie musste ihn mit diesem absurden Vorwurf sehr verletzt haben. So sehr, dass er ihnen von der einen zur anderen Minute keine Chance mehr gab. Worte konnten offensichtlich manchmal die Zerstörungskraft eines Zunami haben. Tränenüberströmt stolperte sie zu ihrem Auto, als sie plötzlich eine Stimme hörte: „He Vic, warte …“
Sie erkannte die Stimme. Es war Maria, die ihr entgegen gejoggt kam. „He – supi, dass du hier bist …“, rief sie fröhlich, doch als sie Victorias verweintes Gesicht registrierte, verstummte sie sofort. „Oh je, was ist denn passiert?“, fragte sie besorgt. „Ich habe mich so sehr gefreut, deinen Wagen hier stehen zu sehen.“ Offensichtlich war der Engel wieder bestens über alles informiert. Maximilian musste sie in die Ereignisse eingeweiht haben. Dieses ihr unbekannte Verhältnis zwischen Maria und Maximilian hatte Victoria auch in der vergangenen Woche beschäftigt. Die Beiden standen sich wohl tatsächlich sehr nah. Victoria wusste nicht, wie sie das bewerten sollte. Ihr war es unangenehm, dass ein fremder Mensch so viel
Weitere Kostenlose Bücher