Tiefseeperle
Einblick in ihre intimsten Gefühle gewinnen konnte. So schwankte sie zwischen Sympathie und Abneigung. Ausgerechnet jetzt mussten sie sich wieder über den Weg laufen.
Betreten schaute Vic auf den Kiesboden und schniefte. „Ich habe es total vergeigt“, flüsterte sie und wunderte sich selbst über ihre Offenheit. Maria spürte sofort, dass Victoria nun einen Menschen brauchte, dem sie sich anvertrauen konnte. Sie wirkte völlig aufgelöst. „Komm mit zu mir. Lass uns reden. Es gibt für alles eine Lösung.“
Dankbar folgte Vic ihr in das wunderschön renovierte Gesindehaus, welches sie seit drei Jahren mit ihrer Freundin bewohnte. „Clarissa kommt auch bald … dann lernst du meine Süße auch mal kennen.“ Sie hockten sich auf die Stufen vor der Tür. „Ich kann mir vorstellen, dass du ganz gut am Rad drehst. Maximilian hat sicherlich den Bogen ein bisschen überspannt“, begann Maria, als Victoria nichts sagte.
„Ja das ist schon alles sehr bizarr“, murmelte diese und starrte auf die weißen Kieselsteine am Boden.
„Süße ich kann dir versichern, dass Maximilian und ich nur gute Freunde sind und nur noch ab und an mal spielen – was wirklich eine Ausnahme darstellt …“
Victoria unterbrach sie: „Das ist völlig okay. Ich habe sowieso kein Anrecht darauf, wer und was und mit wem er sich umgibt.“ Es klang bitter, und nun platzte es aus ihr heraus: „Es wird kein ‚wir‘ geben. Er hat mir eben gesagt, dass er sich in mir getäuscht hat …“
„Bitte was hat er gesagt?“, Maria konnte das nicht glauben. „Was in aller Welt ist denn passiert?“ Maria wirkte ehrlich betroffen. „Er hat diese Inszenierung doch nur aus einem Grund veranstaltet, nämlich aus dem, dass er sich sicher ist, in dir die Frau fürs Leben gefunden zu haben!“
Diese Worte trafen Victoria tief ins Herz, und sie begann unter Tränen zu erzählen. Maria hörte schweigend zu. Kommentierte das Gehörte nicht, ahnte aber, da sie Maximilian gut kannte, dass er tief gekränkt sein musste. Er war ein Bakushi, ein Meister in diesem Spiel. Sie hatte mit diesem Vorwurf seinen Ehrenkodex, den er als verantwortlicher Dom pflegte, infrage gestellt. Ein extremer Fauxpas bei einem Mann wie dem Grafen.
Plötzlich trat eine Frau mit blonden kurzen Haaren dazu. Ohne ein Wort der Begrüßung sagte sie: „Was ist denn mit Maximilian los … der hat mich mit seinem Austin auf der Auffahrt fast über den Haufen gefahren – total verstört.“ Als Clarissa die Auffahrt entlangfuhr, musste sie ihm ausweichen, weil er ihr mit viel zu hoher Geschwindigkeit entgegenraste und auch nicht auf ihr Hupen reagierte.
Die Frauen sahen sich an, Victoria schluckte, Tränen kullerten unaufhörlich über ihre Wangen. „Tja, das ist dann wohl doch heftiger als gedacht …“, murmelte Maria. „Ach ja, Süße, das ist übrigens Victoria“, Maria machte die beiden Frauen bekannt.
„Okay … schon viel von dir gehört!“, sie lächelte Vic an und reichte ihr die Hand. Ihre Worte klangen jedoch nicht ironisch. „Schön, dass wir uns endlich mal persönlich kennenlernen.“ Victoria nickte und schämte sich ein wenig für ihre Verfassung. Doch Clarissa wirkte nicht überrascht. Auch sie schien in die ganzen Zusammenhänge eingeweiht zu sein. Es stellte sich heraus, dass Clarissa diejenige war, die die Echtheit des Gemäldes dokumentiert hatte. Sie führte seit Jahren erfolgreich eine kleine, aber renommierte Galerie in Potsdam. So schloss sich der Kreis wieder, und daher verwunderte es nicht, dass sie Victorias plötzliches Auftauchen als ganz selbstverständlich hinnahm.
Victoria war froh, in den beiden Frauen Zuhörerinnen und Vertraute gefunden zu haben. Sie hätte es nicht ertragen, an diesem Abend allein zu sein. Auch für die nächste Zeit erwiesen sich Maria und Clarissa als gute Freundinnen. Denn Maximilian reagierte nicht auf ihre Nachrichten. Sie hatte eine SMS und eine Mail geschickt, in denen sie sich entschuldigte. Doch es kam keine Antwort. Er blieb stur und stumm. Auch Maria, die versuchte zu vermitteln, scheiterte. „Er möchte im Moment Abstand. Da kann man nichts machen … er war schon immer sehr eigen und sehr stur“, es tat ihr Leid, doch sie kannte ihren langjährigen Freund, und man musste ihm einfach diese Zeit einräumen.
Victoria litt. Es zerriss sie fast. Doch sie respektierte unter Qualen, dass er im Moment keinen Kontakt wünschte. Sie liebte ihn, hasste ihn – ein stetiger Wechsel der Gefühle. Der Panzer des
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