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Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall

Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall

Titel: Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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favore.«
    Der Dirigent nickte, gab den Musikern das Zeichen, und sie setzten an zur Ouvertüre. Ein Trommelwirbel ertönte und verstummte. Stille. Kein Ton. Hatte der Schlagzeuger zu früh begonnen? Kilian schmunzelte ob des vermeintlichen Fehlers.
    Giovanna war konzentriert und hielt inne. Sie wandte sich Kilian zu. »Andiamo.«
    Wieder ein Wirbel, der unmerklich begann, dann anschwoll, bis das achtzigköpfige Orchester voller Wucht zum Auftakt der La gazza ladra einsetzte. Dann schritten Kilian und Giovanna los, gleich Durchlauchten, die sich in ihre Gemächer zurückzogen. Für Kilian klang es wie ein Marsch, der in aller Pracht und Herrlichkeit den Hofgarten einnahm.
    Eigentlich viel zu theatralisch. Doch für Giovanna war es das angemessene Vorspiel auf das, was sie noch im Schilde führte. Darüber war sich Kilian nach wenigen Schritten im Klaren, und er war vollständig damit einverstanden. Sie zeigte keine Regung, ließ ihren Blick nicht von den geöffneten Türen des Gartensaals und des darüber liegenden Kaisersaals. Sie durchschritten eine Gasse, die das Orchester gebildet hatte, und traten hinein. Er war erfüllt von den Klängen der Streicher und Bläser. Das forsche Anfangsthema hatte sich zu einem Wechselspiel von Oboen, Klarinetten und Querflöten gewandelt. Es klang jetzt verspielter, fast wie ein Walzer. Die Musik fing sich in den kahlen Wänden und kam mit einer Kraft zurück, die Kilian Ehrfurcht einflößte – Ehrfurcht vor den Werken der Meister. Über ihnen fingen sich Licht und Musik im Mahl der Götter. Faune, liebestrunkene Männer, entblößte und üppige Frauen waren in festlicher Laune und schienen für alle Ewigkeit in den Himmel gebannt.
    Giovannas Blick war nach vorne gerichtet. Das eigentliche Ziel schien noch nicht erreicht. Sie kamen in die Eingangshalle, nahmen jede einzelne Stufe mit grandezza. Kilian spürte, dass die Frau an seiner Seite es ernst meinte. Normalerweise hätte er sich über derartige Theatralik amüsiert, doch hier und jetzt war das anders. Der Auftritt hatte Stil und Eleganz. Als Giovanna und er auf der Treppenumkehr angekommen waren, wechselte erneut das Thema der Ouvertüre. Kilian schaute nach oben und erkannte in der linken Ecke Tiepolos Selbstbild. Schüchtern, verhalten und ehrfürchtig blickte er noch immer hinüber zu Europa, die auf Zeus in Gestalt eines Stieres ruhte. Die Verführung im falschen Gewand. Kilian musste schmunzeln. War eine gute Idee des alten Zeus.
    Giovanna führte ihn durch den Weißen Saal in den Kaisersaal. Die Fenster waren weit geöffnet, die Flöten und Streicher fanden auch hier ihre Entsprechungen im Deckenfresko, in dem Apoll Königin Beatrix ihrem Herrn und Kaiser Barbarossa zuführte. Kilian hatte soeben dasselbe Gefühl. Er wurde an der Hand der wunderschönen Giovanna einer Vermählung zugeführt. Giovanna machte inmitten des Saales Halt, drehte sich zu ihm um und breitete die Hände aus.
    »Was ist?«, fragte er amüsiert und unsicher.
    »Lass uns tanzen.«
    Er nahm sie in den Arm, und beide tanzten im weiten Rund des Saals. Giovannas Kleid und die ausladenden Federn folgten jeder ihrer Drehungen und zeigten eine wunderschöne Frau, deren Erhabenheit sich in Hingabe wandelte. Um sie herum verschwammen Farben und Struktur. Alles konzentrierte sich auf ihren Tanz und verschmolz mit ihm. Giovanna schwebte in Kilians Händen über den kühlen Marmor. Sie schien keine Bindung mehr zu der Welt um sie herum zu haben. Alles löste sich im Takt der Musik auf.
    Giovanna warf den Kopf nach hinten und gab sich seiner Führung hin. Das Crescendo erfasste sie und ließ sie Teil eines Wirbels werden, eines Strudels aus Musik, Bewegung und Leichtigkeit. Kilian schwanden die Sinne. Er verlor das Gefühl für Zeit und Raum.
    Giovanna richtete sich wieder auf und sah ihm in die Augen. Es war so weit. Sie löste sich und lief mit wallendem Kleid auf die offen stehende Tür des Kaiserinnen-Traktes zu. Kilian folgte ihr. Federn lösten sich aus ihrem Kleid und schwebten taumelnd zu Boden. Er sah sie im Gang der acht Zimmer verschwinden. Erst durch das Vorzimmer der Kaiserin, dann das Audienzzimmer, das Rote Kabinett und das grün damastene Zimmer, bis er sie im Schlafzimmer der Kaiserin, auf dem Bett liegend, vorfand. Der Raum war stimmungsvoll mit Kerzen beleuchtet. Ihr Licht brach sich tausendfach in den Lüstern aus edlem Glas. Weitere ragten auf mannshohen Kerzenständern empor und warfen ihr Licht die Wände entlang an die Decke. Giovanna

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