Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall
Giovanna Antonella Maria Pelligrini erkennen. Wohnhaft am Campo Sant’ Angelo, Venezia.«
Heinlein starrte auf die Bilder im Spiegelrahmen. Pelligrini und Furtwanger sahen sich zum Verwechseln ähnlich, sodass sie kaum auseinander gehalten werden konnten.
»Schau dir das mal an«, sagte ein Kollege, der den Schrank untersucht hatte und Heinlein ein Bündel Schreiben in die Hand drückte. Er nahm sie und blätterte sie durch. Sie waren in verschiedenen Sprachen verfasst, hatten aber alle Briefköpfe, die auf die Kirche als Absender hinwiesen. Er fand ein Schreiben, das in Deutsch ausgestellt war:
»Sehr geehrter Herr Furtwanger, wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir Ihre Dienste nicht mehr länger in Anspruch nehmen und Sie mit sofortiger Wirkung von den Ihnen vertrauensvoll in die Hände gegebenen Arbeiten entbinden müssen. Des Weiteren teile ich Ihnen mit, dass ich den Kardinal und die örtliche Polizei von Ihren unerhörten und gotteslästerlichen Schandtaten an unseren einmaligen und unersetzbaren Fresken in Kenntnis gesetzt habe. Unterzeichnet, Bischof Karl August.«
Heinlein blätterte weiter und fand ein Schreiben von derBayerischen Seen- und Schlösserverwaltung.
»Sehr geehrter Herr Furtwanger, lieber Ronnie, leider war es mir nicht möglich, meine Auftraggeber von einem Engagement deiner Person an den Restaurierungs- und Aufzeichnungsarbeiten an Tiepolos Fresken in der Würzburger Residenz zu überreden. Ich weiß, wie viel es dir bedeutet hätte, deinem über alle Maßen geschätzten und bewunderten Vorbild und Meister Tiepolo nahe zu sein. Aber dein Ruf ist dir leider wieder vorausgeeilt und hat jede Chance auf einen Einsatz deiner, zweifellos unbestrittenen, Fähigkeiten im Keim erstickt. Es tut mir Leid für dich, mein geliebter Cousin.«
Heinlein versuchte, die Unterschrift zu entziffern. Er war sich nicht sicher und zeigte sie Franz. Er schaute sie sich eingehend an.
»Giovanna«, sagte er schließlich, »da steht Giovanna.« Heinlein hatte diese Antwort befürchtet. Er rieb sich nervös die Stirn und überlegte, was zu tun sei.
»Weiß jemand, wo diese Giovanna … Furtwanger oder wie auch immer der oder die heißt, sich jetzt aufhält?«, fragte er in die Runde der Kollegen, die sich mittlerweile um ihn geschart hatten. Ahnungsloses Schulterzucken und ratlose Blicke waren die Antwort.
»Weiß dann jemand, wo der Kilian steckt?«
»Wenn der der Pelligrini noch immer nachschwänzelt, dann wird er bald eine böse Überraschung erleben«, sagte einer.
»Ralf«, befahl Heinlein »du checkst das Maritim. Franz, gib
’ne Meldung raus. Dann machst du dich auf die Suche nach dem Kilian und der Pelligrini.«
»Wo soll ich sie finden?«
»Was weiß ich. In der Stadt wahrscheinlich.«
»Hast du das nicht genauer?«
»Nein!«, schrie Heinlein. »Hol dir noch ein paar Leute von der Polizeiinspektion und legt los.«
»Und was machst du?«
Heinlein hatte keine Zeit für eine Antwort. Er machte sich auf den Weg dorthin, wo er die beiden vermutete. Mit der Waffe in der Hand rannte er den Rennweg hinunter, bis er am Hofgartentor angekommen war. Das Orchester spielte noch immer. Er rüttelte am schmiedeeisernen, sechs Meter hohen Gestänge, das beängstigende Spitzen und Haken aufwies. Es gab nicht nach. Er war rund einhundert Meter von der Bühne entfernt und schrie, was seine Kehle hergab. Gegen Pauken und Trompeten hatte er keine Chance.
»So ein Mist«, fluchte er und steckte die Waffe in den Haltegürtel. Dann stieg er hoch.
*
Kilian sah nicht viel im schwachen Schein der Kerzen.
Sanft schob er den Stoff von ihren Schultern. Giovanna stöhnte auf, während das Kerzenlicht aufgeregt flackerte und das Orchester zum Finale ansetzte. Seine Lippen fuhren über
Kehle, Hals und Brust. Dann wich er zurück, suchte zu erkennen, was seine Lippen nicht fanden.
»Was ist? Wieso hörst du auf?«, fragte sie.
»Irgendwas stimmt nicht.« Kilian stand auf und verschaffte sich Klarheit mit einer Kerze.
Eine entblößte Giovanna rutschte zur anderen Bettkante weg, wie ein Stück Wild, das im Scheinwerferlicht flüchtet. Hastig zog sie das Kleid über die Schultern zurück.
»Was ist los mit dir?«, fragte sie.
»Du … du bist keine Frau.«
»Ist doch egal, wer oder was ich bin.«
»Nein, ist es nicht. Du bist ein Kerl«, sagte Kilian voller Verachtung. Er ging ums Bett herum und musterte sie. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
»Du bist Furtwanger!«, stieß er ungläubig
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